Terry Swartzbergs Steine des Anstoßes

In der Reihe „Nymphenburger Gespräche, veranstaltet von diversen Institutionen, die sich für interkulturellen und interreligiösen Dialog einsetzen, stand heute Abend ein Gespräch mit Terry Swartzberg auf dem Programm, seines Zeichens Journalist, PR-Fachmann, Autor, Aktivist etc. …Abgesehen davon, dass der interkulturelle und interreligiöse Dialog für mich generell ein wichtiger Aspekt ist, freute ich mich, in diesem besonderen Rahmen mehr über Terry Swartzberg zu erfahren, den ich im Lauf der letzten Jahre bei unterschiedlichsten Anlässen kennen und schätzen gelernt habe. Umso mehr interessierte mich nun, Einzelheiten über den Lebenslauf und die Beweggründe eines Mannes zu erfahren, der für mich zu den „Mitbürger/Innen zählt, die dazu beitragen unsere Stadt im positiven Sinne bunter und somit froher zu gestalten“, wie ich es einmal in einem Post formuliert habe.

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Terry Schwarzberg 2012 auf dem Münchner Ostfriedhof in seinem Stück „Tzaddhik“, Foto AZ

Getroffen habe ich Terry erstmals 2012 anlässlich der Aufführung des von ihm geschriebenen Theaterstücks Tzaddhik, das die talmudische Vorstellung von den 36 Gerechten im Zusammenhang mit Frieden und Krieg aufgreift. In dieser Inszenierung übernahm Terry auch gleich die männliche Hauptrolle, an der Seite der vielseitigen jüdischen Künstlerin Nirit Sommerfeld und legte aus dem Stand eine beachtliche schauspielerische Leistung hin – Eine solche Rolle, als Nicht-Schauspieler über fast zwei Stunden auszufüllen, das muss man erst einmal schaffen!

Ein Jahr später besuchte ich eine seiner Veranstaltungen der Initiative Stolpersteine für München e.V., die eine Aufhebung des Verbots der Verlegung von Gedenk-Stolpersteinen in München erreichen möchte. Schöpfer dieser Stolpersteine ist der Künstler Gunter Demnig. Dessen „Stolpersteine“ sollen „an Menschen erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus deportiert wurden und meist dem Holocaust zum Opfer fielen. Die Steine, die auf der Oberseite kleine Metallplatten mit den Namen der Opfer tragen, verlegt er vor deren einstigen Wohnungen im Straßen- oder Gehwegpflaster. Das Projekt hatte sich mit 40.000 Steinen im Juli 2013 in rund 820 deutschen und 200 ausländischen Städten zum weltweit größten dezentralen Mahnmal entwickelt.

Im Fall der Münchner Stolperstein-Debatte geht vor allem von Teilen der jüdischen Gemeindeeine starke Opposition aus, allen voran seitens Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde. Wie auch immer, konnten sich die Befürworter der Stolpersteine auch in diesem Jahr wieder nicht durchsetzen, die Verlegung bleibt verboten, nicht nur die von Stolpersteinen für jüdische Opfer, sondern automatisch für die anderer NS-Opfergruppen gleich mit … Eine Klage gegen diese Entscheidung des Münchner Stadtrats läuft.

Terry Swartzberg bei einer Kundgebung; Quelle Wikipedia
Terry Swartzberg bei einer Kundgebung; Quelle Wikipedia

Desweiteren erregte Terry Aufsehen durch seinen Selbstversuch, tagtäglich mit der Kippa durch Deutschland zu laufen. Eine dieser Kippas wird inzwischen im Haus der Geschichte in Bonn ausgestellt, das hierzu schreibt: „Die blaue Kippa mit Davidstern, die Terry Swartzberg bei einem Stadtratshearing in München trug, bei dem die Verlegung der sogenannten ‚Stolpersteine‘ von Gunter Demnig diskutiert wurde, nimmt die Stiftung Haus der Geschichte als Objekt der Zeitgeschichte in ihre Sammlung auf.Nun also hat Terrys „Kippa der städtischen Renitenz“ auch noch historische Weihen erlangt und damit wohl für manche seiner Gegnerinnen und Gegner das Fass zum Überlaufen gebracht. Bereits bei meiner Ankunft im PresseClub, die Veranstaltung war kurzfristig vom Rathaus dorthin verlegt worden, registrierte ich verwundert die Anwesenheit von Leuten, die sich zuvor auf Facebook in ziemlich eifernder Sprache gegen Terry geäußert hatten. Warum besuchten sie nun ausgerechnet eine Veranstaltung, die die Person Terry Swartzberg zum Thema hatte? Offensichtlich um seine Positionen anzugreifen. Natürlich ist Terry Swarzberg ein Tausendsassa und als begnadeter PR-Mann wird alles, was er anpackt, garantiert zu einer sehr öffentlichen Geschichte, mit ihm im Zentrum. Und vermutlich ist der Antisemitismus in Deutschland verbreiteter, als es für den – in meinen Augen wohltuend – optimistischen Terry Swartzberg vielleicht den Anschein hat, wie Jan Mühlstein, der Vorsitzende der liberalen jüdischen Gemeinde Beth Shalom zu bedenken gab. Diese Bedenken äußerte er aber sachlich und in liebevollen Ton; umso irritierender empfand ich die teilweise Aggressivität, mit der ein Großteil der Wortmeldungen vorgebracht wurden. Sie gaben eben nicht zu bedenken, sie klagten an, vehement und des öfteren schlichtweg am Thema des Abends „Terry Swartzberg – die Person“ vorbei, unbeirrbar, wieder und immer wieder, regelrecht „Platte mit Sprung“.

Glücklicherweise moderierte Ralph Deja souverän und setzte auch dem obligaten „Knobloch“-Bashing (wie er es nannte), das bei solchen Diskussionen seitens der Stolperstein-Befürworter unweigerlich aufkommt, ebenfalls ein sehr berechtigtes Ende. Ebenso dem Versuch, ihn und die katholische Friedensbewegung „Pax Christi“ gleich mit anzugreifen, wegen deren Israel-Haltung (wenn ich es richtig mitbekommen habe). Zugegeben, es können einem mal die Gäule durchgehen, aber hier bedurfte es schon sehr energischer verbaler Zügelungen: das Thema laute „Terry Schwartzberg“ und nicht „Ralph Deja/Pax Christi“, bis die Tirade einer besonders insistenten Rednerin endlich verstummte (bis zu ihrem nächsten Einsatz, siehe Absatz oben).

Aus der Seele sprach mir Pfarrerin Jutta Höcht-Stöhr der Evangelischen StadtakademieSie brachte in einer wohl formulierten, ruhigen Wortmeldung ihr Bedauern zum Ausdruck, dass uns die Diskussionen, am Thema vorbei, um die Chance gebracht hätten, die schillernde Vita Terry Swartzbergs näher kennen zu lernen.<

Schon auf Facebook hat mich wiederholt die aggressive Art befremdet, mit der jüdische Themen und auch Israels Politik diskutiert werden. Ich denke, angesichts der erstärkenden Rechten, sollten wir den Zusammenhalt im Dialog vorantreiben, gerne und unvermeidlich auch kontrovers. Nur so, gemeinsam, können wir uns denen entgegenstellen, die dabei sind, die unseligen Geister der Vergangenheit erneut heraufzubeschwören! Wie ein solcher Dialog sich formulieren lässt, hat – wie gesagt – Jan Mühlstein in bemerkenswerter Weise mit seiner Wortmeldung gezeigt und voller Wärme und Menschlichkeit eine abweichende Meinung vorgetragen.

Abschließend zitiere ich den EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich-Bedford-Strohm:

Wir müssen lernen, einander auszuhalten.
Wir, die demokratischen Bürgerinnen und Bürger.

TERRY SWARTZBERG

Portrait zu > TERRY SWARTZBERG
Aktuelle Beiträge zu Terry Swartzberg > HIER



Veröffentlicht von Gaby dos Santos

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