Eine kleine Chronik zum Frauenwahlrecht

Ich muss Ihnen ja wohl nicht sagen, meine Damen, dass diese ganze Emanzipationsgeschichte für uns Frauen ein Fluch ist. Denn es ist – meine Damen – ein Privileg, sich ganz der Familie widmen zu können. Frauen in der Politik, meine Damen, ist schlicht gegen die göttliche Ordnung (…)

Demonstration von Sufragetten 1912, in New York; Quelle: Library Of Congress’s

Dieser Kommentar richtet sich keineswegs gegen die Sufragetten, die Anfang des 20. Jahrhundert leidenschaftlich und teilweise sogar unter Einsatz des Lebens, um das Wahlrecht für Frauen kämpften. Vielmehr stammt dieser Satz aus der gleichnamigen, absolut sehenswerten Schweizer Kömödie „Die Göttliche Ordnung.“ die vom Kampf der Schweizerinnen im Jahr !1971 um ihr Stimmrecht erzählt.

Anlässlich einer Feier zu „100 Jahre Frauenwahlrecht“ im Landtag, warf die BayernSPD  einen Blick zurück auf den beschwerlichen Weg der Europäerinnen bis an die Wahlurnen ihrer Nationen:
Kurt Eisner rief am 8. November 1918 nicht nur den Freistaat Bayern aus, sondern auch das Frauenwahlrecht. Tapfere Frauen wie die Feministinnen Anita Augspurg und Lida Heymann hatten für die Rechte von Frauen gegen viele Widerstände gekämpft. Zum ersten Mal in Deutschland durften Frauen dann bei der Bayerischen Landtagswahl am 12. Januar 1919 an die Wahlurnen. Ein halbes Jahrhundert hat es noch gedauert, bis die Schweizer Frauen ihr Wahlrecht erstritten hatten. Wie ihnen noch in den 70er Jahren der Zugang zu vielen Bereichen des Lebens verwehrt wurde,zeigt der Film „“Die Göttliche Ordnung„“ sehr lebensnah. (…)

Frauenwahlrecht? Pro und Kontra in der Schweiz, 1971

Die Eidgenossen gehörten damit zu den Schlusslichtern in Bezug auf das Frauenwahlrecht. Und – nota bene! – sowohl die Schweiz als auch Liechtenstein holten als einzige Länder dazu keinen Parlamentsbeschluss ein, vielmehr waren die Männer selbst aufgerufen, darüber abzustimmen. Dass die kein großes Interesse hegten, den Frauen allgemein – und den eigenen insbesondere, freiwillig mehr Rechte einzuräumen, liegt in der Natur des Menschlichen. Von der Reaktion der Liechtensteinerinnen berichtet der WDR auf seiner Internetseite:

Begrenzte Begeisterung gegenüber der „Damenwahl“, Berlin, 1919

Jetzt gehen die Frauen in die Offensive: Eine „Aktion Dornröschen“ will nicht länger schlafen, bis ein Prinz sie aufweckt. Die Frauen klagen vor dem Staatsgerichtshof von Liechtenstein. Der bemüht allerdings das Neue Testament: „Die Frau schweige in der Gemeinde.“ Daraufhin reichen zwölf Frauen Klage beim Europarat ein. Liechtenstein mache sich einer massiven Menschenrechtsverletzung schuldig, es sei ein Geschlechter-Apartheids-Staat. Der außenpolitische Druck wirkt. 1984 gibt es erneut ein Referendum – und nun eine knappe Mehrheit von 51,3 Prozent für das Frauenwahlrecht. 1992 wird die Gleichberechtigung in der Verfassung festgeschrieben, seit 1999 gibt es ein Gleichstellungsgesetz.

Die Frauen in Liechtenstein haben damit noch vor der Jahrtausendwende erreicht, was in Finnland schon seit 1906 gilt (…), wie mir bereits unser jourfixe-Mitglied, die finnische Sängerin Tuija Komi, berichtet hatte. Im damaligen Finnland, einem russischen Großfürstentum, herrschten soziale Unruhen, die schließlich nicht nur den Frauen, sondern generell der Mehrheit der Bevölkerung erstmals zum Wahlrecht verhalfen. Nachdem Finnland, das Frauenwahlrecht eingeführt hatte, folgten Norwegen im Jahr 1913, Dänemark und Island 1915.

Olympe de Gouges, Pastell von Alexander Kucharski (1741–1819)

„Dem Erlangen des Frauenwahlrechts ging ein langer Kampf der Frauenbewegung voraus, der bereits im 18. Jahrhundert begann“, so nachzulesen auf Wikipedia:“ Als erste „moderne“ Kämpferin für das Frauenwahlrecht gilt Olympe de Gouges. Sie verfasste im Laufe der Französischen Revolution unter anderem die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin (veröffentlicht September 1791), wurde zur Zeit der Terrorherrschaft im Sommer 1793 verhaftet wegen Feindschaft zu Robespierre und im Herbst nach kurzem Schauprozess hingerichtet.

1776 wurde im US-Bundesstaat New Jersey durch Verfassung das Wahlrecht für alle Personen ab einem gewissen Besitzstand eingeführt. Das galt somit auch für Witwen, nicht jedoch für verheiratete Frauen, weil diese nichts besitzen durften; das Wahlrecht wurde 1807 auf Männer eingeschränkt.“

Eine Vorreiterrolle bzgl. des Frauenwahlrechts nahmen die sozialdemokratischen Parteien ein: „Allgemeines, gleiches, direktes Wahl- und Stimmrecht […] ohne Unterschied des Geschlechts für alle Wahlen und Abstimmungen!“, forderte  die SPD in ihrem Erfurter Programm von 1891.

Heutzutage sind Wahlen auch für uns Frauen so selbstverständlich, dass eine ganze Reihe von uns nicht einmal mehr dieses Recht wahrnimmt! Und selbst wenn: Gleichstellung erschöpft sich nicht im Recht, Kreuzchen auf Wahlzettel malen zu dürfen. Statistiken zum Anteil von Frauen an den Schaltstellen in Wirtschaft, Industrie, Kunst und Kultur widersprechen nach wie vor dem Anspruch einer Gleichstellung von Mann und Frau! So sind auch im 21. Jahrhundert wir Frauen gefordert, uns für unsere Gleichberechtigung in allen Lebenslagen einzusetzen. Das sind wir uns schuldig, unseren Töchter und ganz besonders unseren Vorreiterinnen, die für ihren Kampf weit mehr aufs Spiel setzen mussten, als nur Zeit und Energie!

Frauen bei einer Wahl, Wien 1912, Quelle: Wikimedia

Titelmotiv: ZDF heute/Facebook, Bild-Quelle: Bundestag



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Veröffentlicht von Gaby dos Santos

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