Mit Bauchgefühl und Visionen: Matthias Helwig, Begründer und Leiter des fsff – Fünf Seen Filmfestivals, Vorschau 2020, 26.8. – 9.9.

Wer seit jeher soviel Herzblut in die Filmkunst investiert, wie Matthias Helwig, lässt sich durch eine Pandemie nicht stoppen! Daher findet auch in diesem Spätsommer die nunmehr 14. Ausgabe des fsff – Fünf Seen Filmfestivals statt, vom 26. August bis 9. September, natürlich unter Berücksichtigung der aktuellen Gegebenheiten: „Um die Abstandsregelungen und Hygienevorschriften und die damit verbundenen geringeren Kapazitäten in den Kinos zu berücksichtigen, wird das Festival diesmal eine längere Laufzeit haben und stärker ins Freie verlegt. ‚Da davon auszugehen ist, dass das Leben in diesem Sommer vor allem Outdoor angenommen wird, werden wir während des Festivals mehrere Open Air Spielstätten planen, u.a. am Starnberger See im Seebad Starnberg. Dazu werden wir mit einem CINEMAMOBILE – einem Lastwagen mit Kinoleinwand – an verschiedenen Orten des Fünf Seen Landes ebenfalls OPEN AIR Filme aus dem Festivalprogramm zeigen‘, erläutert Helwig. Dies passe auch gut zu dem Motto der diesjährigen FSFF-Ausgabe. Nach ZEIT (2018), RAUM (2019) war eigentlich BEWEGUNG für das Jahr 2020 angedacht. ‚Wir haben aus aktuellem Anlass das Motto zu BEWEGUNG UND STILLSTAND erweitert.‘ (…) “  > MEHR

Angesagt haben sich in diesem Jahr u.a. Filmstar Nina Hoss, die mit dem Hannelore-Elsner-Preis 2020 des fsff ausgezeichnet wird, und, als diesjähriger Ehrengast, Musikerlegende Klaus Doldinger (Passport), von dem u.a. die Filmmusiken zu „Das Boot“ und die TATORT-Erkennungsmelodie stammen. Am 3. September wird er in Starnberg zu einem Publikumsgespräch mit musikalischer Einlage und am 8. September in Gauting zu einem Jazz-Konzert anwesend sein.

Während Ministerpräsident Markus Söder, Red-Carpet-affin, mit dem Filmfest München ausgerechnet der Berlinale den Rang streitig machen möchte und somit einen Kampf gegen die Windmühlen der Filmbranche aufnimmt, befindet sich das Fünf Seen Filmfestival vor den Toren unserer Stadt längst auf der Überholspur, als eines der inzwischen wichtigsten Filmfestivals in Deutschland: Gründer (2007) und Leiter des Fünf Seen Filmfestivals ist Matthias Helwig, dessen Biografie sich für ein solches Groß-und Langzeitprojekt geradezu anbietet:

In der Fünfseenregion geboren, wurde Helwig Anfang der 1980er Jahre an der HFFF München (Hochschule für Film- und Fernsehen) angenommen, die schon so manchen gewichtigen Namen in der Film- und TV-Branche hervorgebracht hat. Er studierte Drehbuch und Regie, fand jedoch im Anschluss nicht gleich eine Anstellung, da die Ära der Privatsender – mit entsprechendem Job-Boom – noch nicht angebrochen war. Also entschied er sich, der Filmkunst selbst ein Forum zu bieten und eröffnete das erste seiner BREITWAND-Kinos, die inzwischen Arthouse-Kino über das gesamte Fünfseenland in Oberbayern verbreiten. Dabei reduzierte Helwig seine Rolle nicht auf die des reinen Kinobetreibers. Vielmehr setzt er seit jeher sein Medium „Film“ in unterschiedlichste Kontexte, die er im Rahmen von Themen-Reihen und interdisziplinären Angeboten in seinen Kinos präsentiert.

Quelle: www.breitwand.com

Dabei zeigt er sich offen für neue Impulse, immer auf der Suche nach künstlerischen und kulturellen Schnittstellen. Sein Konzept bewährte sich von Anfang an. Sehr schnell machte er sich mit seinem Breitwandkino einen Namen und eröffnete, mit gleichem Konzept und Namen, weitere Kinos. -„Lichtspielhaus“ ist ein Begriff aus den Goldenen Jahren des Kinos, den Helwig mag und in dem sich seine Art von Kino wiederfindet, als Ort nicht nur der Unterhaltung, sondern auch einer gewissen Magie, die aus dem Zusammenspiel von „belichteter“ und zu Geschichten verdichteter Leinwand mit dem dunklem Zuschauerraum entsteht … Breitwandkino avancierte bald zum Gütesiegel: So wurde sein Breitwandkino in den Jahren 1997 und 2013 zum besten Kino Deutschlands, im Jahr 1998 zum besten Kino Bayerns gekürt. Neben weiteren Auszeichnungen erhielt Matthias Helwig 2008 den Tassilopreis der Süddeutschen Zeitung für herausragende Kulturarbeit in der Region. 

Quelle: www.fsff.de

Durch die immer größer werdende Palette an Filmen und das Entdecken hochkarätiger Filme, die es aus verschiedenen Gründen nicht auf deutsche Kino- und manchmal auch nicht auf oberbayerische Festivalleinwände schafften, entstand 2007 die Idee, ein eigenes Filmfestival zu gründen.

Nach überraschend erfolgreichem Auftakt, gelang es dem Festivalteam bereits im Folgejahr, 2008, Michael Ballhaus als Ehrengast zu gewinnen. Seiner Anwesenheit war es zu verdanken, dass man auf das außergewöhnliche Programm des Fünf Seen Filmfestivals aufmerksam wurde. Unter dem Motto „tiefgründig – unentdeckt – spritzig“ wurde 2009 das dritte Filmfestival veranstaltet und schaffte einen Besucherzuwachs von 50 %, vor allem dank des auf 100 Filme erweiterten Programms und des Ehrengastes Volker Schlöndorff.

2010 zeigte das fsff erneut 100 Kurz-und Spielfilme, weitete die Spielstätten aus, präsentierte zwei Open-Air-Kinos sowie eine Open-Air-Vorstellung auf einem fahrenden Dampfer auf dem Starnberger See und fand mit Armin Mueller-Stahl einen großen Künstler als Ehrengast. Eine nochmalige Steigerung um 50 % auf 10.000 Besucher war die Folge. 10.000 Besucher, die nicht Mainstream sahen, sondern Filme mit ihren Themen, Qualitäten, Experimenten, Geschichten und Bildern. (…) Ausschnitt aus der Homepage http://www.FSFF.de > Festival > Geschichte: > MEHR

Das Konzept, anspruchsvolle Filme zu präsentieren, gepaart mit der glamourösen Präsenz von Stargästen aus dem Who is Who des Deutschen Films, bewährte sich und schrieb die Erfolgsgeschichte des fsff Jahr für Jahr weiter. Nach wie vor bietet Matthias Helwig mit seinem fsff  jenen cineastischen Highlights eine Plattform, die es hierzulande erst gar nicht in den regulären Kino-Vertrieb schaffen, obgleich sie auf internationalen Festivals Achtungserfolge und oft sogar Auszeichnungen erhalten haben! Entsprechend handelt es sich bei jedem fsff-Beitrag um einen von Helwig persönlich ausgewählten Film, und er unternimmt einiges, um seinem Anspruch zu genügen: Neben der Sichtung von Material, das ihm inzwischen auch spontan zugesandt wird, besucht er regelmäßig internationale Filmfestspiele, um Ausschau nach geeigneten Werken für das nächste fsff zu halten. Bei seinen Entscheidungen spielt für ihn eine wichtige Rolle, dass die Protagonisten selbst, mit ihrer eigenen Geschichte und Persönlichkeit den Film beleben, anstatt unter einem Überbau konstruierter Handlungen zu erstarren.

Nachdem ich Matthias Helwig bereits im Rahmen einer Soirée 2011 kennengelernt hatte, interessierte mich sehr, wie es diesem Mann in Eigeninitiative gelungen ist, wachsenden Erfolg mit einem Festival zu erzielen, das weder auf die Infrastruktur einer Großstadt zurückgreifen kann, noch kommerzielle Schienen bedient. Daher bat ich ihn im Spätsommer 2019 um ein Interview für den jourfixe-Blog:

Dass Helwig sich seit Jahren um das Filmgenre verdient macht, war mir schon im Vorfeld klar gewesen. In welchem Ausmass jedoch Mainstream-Produktionen das Programm unserer Kinos vereinnahmen und wie wichtig dem gegenüber das Engagement von Cineasten wie Matthias Helwig ist, erschloss sich mir erst im Verlauf unseres Gespräches richtig. Zudem wurde mir auch erst da bewusst, wie nahe Film- und BühnenKUNST einander stehen, indem beide ihren künstlerischen Anspruch VOR den Kommerz stellen. Beide berücksichtigen sie dabei zwar wertvolle Nischen, die den staatlichen Förderungen jedoch niemals jene Image trächtige Breitenwirkung einbringen, wie „Hochkultur“-Veranstaltungen und daher auch nur einen Bruchteil an Fördermitteln erhalten, falls überhaupt.

Diese Unverhältnismäßigkeit bei der Verteilung von Subventionen ist natürlich auch Matthias Helwig bewusst, dennoch äußerte er sich dankbar darüber, sein berufliches Leben seinen Visionen entsprechend ausrichten zu dürfen. Dieser ideelle Luxus fordert aber auch einen erheblichen Tribut an Kraft und Zeit, denn es gilt, mühsam an allen nur möglichen Ecken und Enden Kooperationspartner*Innen zu gewinnen und Gelder einzusammeln. Umso mehr beeindrucken mich die vielen Partner und Film-Paten, die das fsff-Team über die letzten Jahre gewinnen konnte, vor allem wenn man bedenkt, dass dieses Festival, wie die meisten Kulturprojekte, bis auf die letzte heiße Phase mit einem sehr reduzierten Team auskommen muss.

fsff-Chef Matthias Helwig im Interview mit Gaby dos Santos, Spätsommer 2019, Foto: Daniela Koch

Der Beitrag setzt sich aus Eindrücken und Informationen aus meinem Gespräch mit Matthias Helwig 2019 und Zitaten von der Homepage des fsff zusammen. Letztere sind durch Kursivschrift gekennzeichnet.

Mehr zur Festival-Geschichte, Stargästen und das aktuelle Programm sowie NEWS findet sich unter

> www.fsff.de


Die Titelcollage um fsff-Chef Matthias Helwig stammt von Gaby dos Santos

Veröffentlicht von Gaby dos Santos

GdS-Blog, Bühnenproduktionen (Collagen/Historicals), Kulturmanagement/PR > gabydossantos.com

Entdecke mehr von Gaby dos Santos

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen