Mit allen Sinnen unterwegs auf der April-Ausgabe von Raiko Schwalbes ARTMUC Kunstmesse 2024, Foto-Impressionen, Gedanken und Videos

„Lässt sich eigentlich an bestimmten Kriterien festmachen, was Kunst ist?“

Meine Begleiterin auf der ARTMUC Kunstmesse verneinte. Sie musste es wissen, ist sie doch in der Kunstszene hauptberuflich tätig. Mit ihrer Verneinung bestätigte sie mir gewissermaßen amtlich, was ich längst für mich persönlich entschieden hatte: Dass sich die Bewertung von Kunstwerken nicht zwingend an irgendwelchen 10 Geboten festmachen lässt. Vielmehr bleibt Kunst dem Auge der BetrachterInnen überlassen – sowie natürlich den Strategien und dem Hype des Kunstmarkts. Dieser Einschätzung mag manch einer aus dem akademischen Kunstlager widersprechen, doch meinem Spaß am Betrachten von Kunst – so ganz aus dem Bauch heraus – tut dies keinen Abbruch!

Schwelgen und sich in Silber und Gold-Arragements spiegeln…
Auch hier ist alles, wie immer, eine Frage der Perspektive, insbesondere was das goldfarbene Exponat anbelangt, das aus großkalibriger Munition gestaltet wurde und den vielsagenden Titel „Duplizität“ trägt.

Sowieso verfahre ich seit jeher im Umgang mit allen Formen von Kunst nach dem Prinzip: Erstmal Kopf aus- und Sinne anschalten“! Dadurch eröffne ich mir die Möglichkeit eines unmittelbaren Austauschs zwischen der künstlerischen Sprache eines Werkes und meiner individuellen Wahrnehmung. In einem zweiten Schritt beginnt dann die Bloggerin in mir mit der Suche nach Hintergrundgeschichten zu den Exponaten und deren SchöpferInnen. Dafür eignet sich die ARTMUC bestens, denn hier gestaltet sich der Zugang zu den KünstlerInnen niederschwellig; an den meisten Ständen begegnen sie einem als persönliche AnsprechpartnerInnen, jederzeit offen für Fragen oder Plaudereien über ihr Werk.

Wiedersehen mit dem italienischen Künstler FFrancesco Neo auf der Artmuc 2024, vor einem der für ihn typischen großformatigen und seeehr bunten Bilder….

Auf kuriose Weise kreuzt sich die Biografie von einem von ihnen mit meiner eigenen, denn wir stammen aus zwei benachbarten jener Miniatur-Orte, die die italienische Seite des Lago Maggiore säumen. Die Wahrscheinlichkeit, jemandem von dort zufällig hier in München zu begegnen, noch dazu in der Kunstszene, geht gegen Null, doch mit Francesco Neo ist mir genau das geschehen! Seine undergroundig angehauchten Werke stehen für „bunt, bunter, Neo(N)“ und erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Niemand außer mir jedoch dürfte wohl diesen gekonnt schrillen Künstler mit nostalgischen Jugenderinnerungen wie Chianti aus Bauchflaschen verbinden 😉 > MEHR

Voller Neugier auf das, was mich hinter dem nächsten Paravent wohl erwarten würde, habe ich mich von einem Stand, von einem Augenfang zum nächsten, genussvoll durch die April-Ausgabe der ARTMUC 2024 treiben lassen – ganz im Sinne des Veranstalters, ARTMUC-Chef Raiko Schwalbe:

Gaby dos Santos mit ARTMUC-Chef Raiko Schwalbe
Die Geweihe: www.kunstwild.com, Fabian Seifried, s. unten

„Gerade die aktuellen wirtschaftlichen und geopolitischen Entwicklungen beschäftigen uns immer mehr im alltäglichen Leben und beeinträchtigen unsere Wahrnehmung. In solchen Zeiten ist es wichtig, innezuhalten und sich auch mal den schönen Dingen im Leben zu widmen. Kunst soll inspirieren, zum Nachdenken anregen und motivieren. Das kommt aktuell zu kurz, und wir möchten das mit der internationalen Vielfalt aufder ARTMUC für ein paar Tage in den Mittelpunkt rücken.“

Die Vita von ARTMUC Chef Raiko Schwalbe bestätigt übrigens einmal mehr, dass ein guter Teil aller kulturellen Initiativen auf dem Engagement von Privatpersonen beruht, die neben einer guten Dosis Idealismus, Leidensfähigkeit und Durchhaltevermögen, über ausgesprochene Macher-Qualitäten verfügen. Dieser Schlag Kulturschaffender setzt unmittelbar dort an, wo sich eine Nische respektive ein Manko auftut, so auch Raiko, wie 2018, im Internet-Portal 089, bei Stefanie Witterauf nachzulesen:

Zusammen mit seinem Bruder Marco hat Raiko Schwalbe 2006 noch in Berlin eine Kunstgalerie gegründet. Weil sie sich keine Messe-Teilnahme leisten konnten – die Gebühren waren für die Brüder zu hoch – gründeten sie ihre eigene: die Stroke Art Fair“ (…) > MEHR

Raiko Schwalbe 2023 im Interview mit Matthias J. Lange/Redaktion42

Zwar bin ich mit der Welt der Bildenden Kunst nicht annähernd so vertraut, wie mit der Bühne, jedoch vermute ich, dass das Erfolgsrezept der ARTMUC Kunstmesse eine gut austarierte Balance zwischen Überschaubarkeit und Internationalität ist: An der Frühjahrsausgabe 2024 nahmen 150 KünstlerInnen und 15 Galerien teil. „Das dabei präsentierte Spektrum reicht von Malerei, Skulpturen, Collagen, Fotografien bis hin zu digitaler Kunst.“ (…) Beworben für 2024 haben sich über 400 KünstlerInnen aus mehr als 15 Ländern. > MEHR

Das östliche Mittelmeer personifizierte auf faszinierende Weise der türkische Künstler Ender Güzey, der zudem das Museum ARThill Bodrum betreibt. Das liegt genau gegenüber der antiken Stadt Syangela und unmittelbar auf dem historischen Weg der Lykier, der in der Mythologie als “Pfad der Göttinnen” bezeichnet wurde. Entsprechend zeigen sich Güzeys Werke stark von der Antike beeinflusst, was er mir im Gespräch auch bestätigte.

Die dunkle und spannend unregelmäßige Oberfläche seiner aus Holz gefertigten Stiere erzielt er durch ein spezielles Verbrennungsverfahren.

Als eines der Alleinstellungsmerkmale der ARTMUC empfinde ich die ausgesprochene Lässigkeit, die einem hier bei Publikum und AkteuerInnen gleichermaßen begegnet, kombiniert mit omnipräsenter Gute-Laune-Stimmung. Keine Selbstverständlichkeit in der nicht immer schönen Welt der Schönen Künste, in der oft eine kopflastig verbrämte Coolness zur Schau getragen wird, die spontanen Kunstgenuss konterkariert. Doch auch wenn die ARTMUC stattdessen auf „Kunst und KünstlerInnen zum Anfassen“ setzt, verzichtet sie dabei keineswegs auf künstlerischen Anspruch. Daher wird die Teilnahme von einer Jury kuratiert, siehe Startseite der Homepage.

Die ARTMUC hat sich in den letzten 10 Jahren zu Bayerns größter Entdeckermesse und Verkaufsplattform für zeitgenössische Kunst entwickelt.“

Mit einem weiteren Schwerpunkt:

Das erklärte Ziel der ARTMUC ist es, jungen aufstrebenden KünstlerInnen eine Plattform zu geben, um sich einer breiten Öffentlichkeit gegenüber zu präsentieren und ihre Kunst auch direkt verkaufen zu können. (…)“

Aus dem Pressetext der ARTMUC Kunstmesse 04/2024

Einer dieser „jungen, aufstrebenden Künstler“ ist Maximilian Zander, der parallel zu einer Kunstausbildung jüngst seine erste Schritte in die Welt der Kunstausstellungen gestetzt hat, in den Fußstapfen seiner Mutter Andrea Wildner, einer bekannten Schauspielerin und Malerin. Bei der Messe war er mit zwei Bildern vertreten, von denen das Gemälde unten rechts zugleich sein neuestes Werk ist, wie er mir am Stand erläuterte.

Maximilian Zander vor (ausschnittsweise) den beiden Gemälden, mit denen er auf der Messe vertreten war,
via GALARTERY fine art (Innsbruck/AT, Dublin/IE)

Vertreten werden Mutter und Sohn von GALARTERY fine art (Innsbruck/AT, Dublin/IE), deren dreigeteilter Stand auch noch eine ganze Reihe anderer Sehenswürdigkeiten ausstellte: An der Schnittstelle zwischen nachhaltig, funktional und dekorativ gestaltet die Grazer Künstlerin „Die Holasek“ ihre ganz speziellen Sackerl, indem sie „nebenbei und zwischendurch“ – so ihr Motto – alte Papiertaschen aus Boutiquen mit neuer Kunst überzieht.

Die Augenweide pur für eine Farbenfrohe wie mich 😉 war die Gruppe bunter Stelen, die einen Teil des geräumigen GALATERY-Standes begrenzte (Foto rechts).

Allerdings lassen sich solche Kunstwerke, was mein derzeitiges Budget anbelangt, bestenfalls in der Zwischenablage unter „vorläufiges Wunschdenken“ abspeichern, trotz des eher moderaten Preises vieler Exponate.

Aus letzterem Grund eignet sich die ARTMUC nicht nur für Insider, sondern ebenso für „Normalos“, ist ideal um nach dem einen oder anderen ausgefallenen Fundstück für daheim zu stöbern, wie zum Beispiel die 2.0 Version von Geweihen als Wandschmuck, präsentiert mit innovativer Patina aus Münzen, Pailletten oder ähnlich Glitzerndem, von „KunstWild ®

…“KunstWild ®
verleiht verblassten Trophäen vergangener Tage einen modernen Schliff, um dem Anspruch neuer Generationen gerecht zu werden.“ (…)

Wobei keineswegs jedes Exponat für den durchschnittlichen Geldbeutel taugt. Meine Begleiterin wies mich auf einige Ausstellungsobjekte hin, die selbst für Museen nicht so ohne weiteres erschwinglich seien. Mir waren sie zumeist gar nicht aufgefallen – ein weiteres spannendes Merkmal dieser Branche: Dass sich Betrachtungen ohne Ende darüber anstellen lassen, warum manche Exponate mehr gehypt werden, als andere…

Gemäß dem Anliegen von Offenheit nach allen Seiten, erweitert der Bereich „Functional Art and Design“ das Angebot der ARTMUC, u.a. in Kooperationen mit Ausbildungsstätten für Mode und Design > MEHR

Nach der magischen Drei – auf Italienisch schlicht „tre“ > www.3tre.art nennen sich diese drei Kunstschaffenden aus Südtirol und sind ein Paradebeispiel für gelungene Synergie:

  • Der Erste, Christian Gufler (re), fotografiert das Grundmotiv; möchte „Augenblicke und Vorgefundenes unverändert festhalten“
  • Der Zweite, Bernhard Reiterer (li), „denkt und sieht in Farben“ und bearbeitet entsprechend die jeweiligen Fotografien
  • Den Dritten, Hansjörg Oberprantacher, zieht es „zurück zur Natur“. Daher verleiht der Tischler den Werken das Finish mit entsprechenden Materialien und Formen, wie Holz, Stein, Wurzeln, etc.

Dass solcherART Zusammenwirken von gleich mehreren Kreativen zu überraschenden Ergebnissen führen muss, versteht sich. So handelt es sich bei dem wild wirkenden Mannsbild im Zentrum meines obigen Fotos keineswegs um das Mitglied einer italienischen Hell Angels Gang, sondern um einen braven südtiroler Bergbauern, in künstlerischem Teamwork verfremdet durch das „3tre.art“ Kollektiv.

Dieser überdimensionale Apfel hatte es mir ebenfalls angetan, nur vergaß ich leider vor lauter Fotografieren, den Schöpfer zu eruieren…

Die Sinne mal in einem anderen Genre schweifen lassen, kommt auch der eigenen Kreativität zugute… Auf ganz praktische Weise geschah das auf der ARTMUC im Austausch mit der polnischen Malerin Monika Mendat, die mit ihrem aktuellen Auschwitz-Zyklus Opferperspektiven vertreten war.

Dass mit ihren Exponaten das Thema „Holocaust“ überhaupt Einzug auf der Messe halten konnte, finde ich sowohl seitens Veranstalter und Jury, wie auch seitens der Künstlerin mutig, angesichts des moralisierenden Zeigefingers, der sich derzeit nonstop über Kunst und Kultur zu erheben anmaßt, hinsichtlich was, wann, wie und wo angemessen ist – und was nicht.

Insofern hing natürlich die Frage im Raum, ob überlebensgroße Portraits von KZ-Insassen in eine ansonsten eher von Farbe und Leichtigkeit geprägte Kunstmesse gehören?

„Unbedingt!“, meine ich, denn ich empfinde Kunst als schöpferische Reinterpretationen dessen, was das menschliche DaSEIN ausmacht: Ein Sammelsurium aus Gegensätzen, mit denen wir zeitlebens konfrontiert werden – in teils herben Mischungen. Für mich ein Umstand, der ab und an vergegenwärtigt gehört, gerade auch im Sinne einer nachhaltigen Erinnerungskultur, um nicht im Licht die Existenz von Schatten zu vergessen.

Skizze und Gemälde von Monika Mendat > www.stilbetrieb.de

Im Schatten des Holocaust ist Monika Mendat, die selbst aus Auschwitz stammt, aufgewachsen – Für sie entsprechend ein Lebensthema, dem sie sich mit Hingabe in ihrem Zyklus Opferperspektiven widmet, wobei sie mit wechselnden Effekten experimentiert, aktuell die unvollendet belassenen Bleistift-Skizzierungen, die ihren Protagonisten eine besonders filigrane Ausstrahlung verleihen.

Beim Besuch an ihrem Stand stellte sich im Rahmen eines längeren Gesprächs heraus, dass Monika auch über zahlreiche Detailfotografien des KZ-Geländes Auschwitz verfügt, die sie bei der Vorbereitung zu ihren Opferperspektiven erstellt hatte. Diese wird sie wiederum mir, für meine diesjährige Produktion Apokalypse Auschwitz, zukommen lassen, zusammen mit dem Kontakt zum Auschwitz-Museum. Künstlerinnen-Austausch am Rande der ARTMUC

Den thematischen Gegenpol zu Monika Mendats Opferperspektiven bildete die lebensbejahende Kunst von Michael Griesbeck (contemporary art).

Dieser Künstler bedient sich gnadenlos 😉 der ausgefallensten Materialien, von der > Nudel bis zum > Schuh, um sie zu einem spannenden neuen Ganzen zusammenzufügen, Kunstwerk- und Augenschmaus aus einem Guss!

Diese Kreativität macht auch vor seinem zweiten Standbein nicht halt, als Prokurist und technischer Leiter der Optima-Firmengruppe, einem familiengeführten, namhaften Münchner Immobilien- und Projektentwickler. Unter dem Titel „Under Construktion“ findet sich ein aktuelles Bauvorhaben in SoHo, im Herzen New Yorks, prompt auch künstlerisch von ihm verewigt.

Das nachstehende Bild, AMARO VERDE und die dazu passend bemalten High Heels von Louboutin entstammen dem Zyklus Shoetime. Der entspringt dem Frust des Künstlers über die stylische Tristesse, die das Cooconig der Corona-Zeit uns beschert hat und möchte, mit einem Augenzwinkern, feminine Ästhetik wieder auf die Beine stellen. Allerdings gibt es jedes Paar Schuhe nur im Doppelpack mit einem dazu passenden Gemälde.

Unnachahmlich Michael Griesbecks Serie Noodles to Go, von der zwei kleinere Exponate auf dem unteren Foto hinter dem Rücken ihres Schöpfers zu sehen sind, unter anderem die in Vanilletönen gehaltenen Noodles to Go Nr. 9 – stehende Rigatoni in Lack, von denen unten rechts einige Details-Ansichten von der Homepage Michael Griesbecks abgebildet sind:

Für den unermüdlichen Michael Griesbeck heißt „nach der Show“ auch schon wieder „vor der Show“ – und dies erneut in Doppelfunktion: Als ausstellender Künstler UND als Prokurist der gastgebenden Optima-Firmengruppe, ist er in die nächste Ausgabe von Raiko Schwalbes ARTHOUSE München – Kunstausstellung eingebunden:

Es handelt sich hierbei um eine Zwischennutzungsreihe in wechselnden Räumlichkeiten, diesmal angesiedelt im THE MALT, ein historisches Fabrikgebäude in Allach, das zu einer kombinierten Wohn- und Arbeitslocation umgestaltet wurde und sich der Öffentlichkeit vom 17. – 19. Mai 2024 als Kunstlocation präsentiert.

Michael Griesbeck erläutert:

Immobilien zeigen Künstler,
Künstler zeigen Immobilien…

So findet beispielsweise vorab im THE MALT ein Maklerevent als interne, geschlossene Veranstaltung statt, in die wir zugleich die Künstler einbinden. Zudem werden Führungen stattfinden. (…)“



Pressetext:


Titelmotiv:

Der virtuelle Streifzug durch die ARTMUC endet wo er begonnen hat: Am Anfang, beim Titelmotiv, das auf der Skulptur (Ton/ Treibholz aus der Isar/ Beton/ Farben) zu Text respektive Bild : „Engel der Zuversichtlich und der Hoffnung!“ beruht. Ihrem Werk legte Künstlerin Maria Bentz-Arens eine komplexe spirituelle Interpretation zugrunde.

Kontakt

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Veröffentlicht von Gaby dos Santos

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