Katrin Neoral und Sängerin Anamica Lindig mit Mitstreitern bei Hubert Aiwanger: Vorbereitung zur Diskussion „Kultur in der Krise“

Ursprünglich hatten jourfixe-Mitglied Katrin Neoral und ihre Mitstreiterin, die freischaffende Sängerin Anamica Lindig, Staatminister Hubert Aiwanger zu ihrer Diskussionsveranstaltung „Kultur in der Krise – Wie bewahren wir die Vielfalt der Kultur- und Veranstaltungsbranche vor dem Point of no Return?“ mit bayerischen Landespolitikern und Kulturschaffenden am 28. September eingeladen, mit tatkräftiger Unterstützung unserer Kulturplattform jourfixe-muenchen.  Hubert Aiwanger kann aus terminlichen Gründen nicht an der Diskussion teilnehmen, dennoch wollte er sich dem Thema widmen und empfing Katrin und Anamica, mit weiteren Mitstreitern, am 22. September zu einem internen Gespräch. In seinem Berater-Team saß unter anderem Kerstin Radler, kulturpolitische Sprecherin der Freien Wähler-Landtagsfraktion.

Treffen mit Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, links Anamica Lindig, rechts Katrin Neoral, 22.09. 2020, Bayer. Wirtschaftsministerium

Zahlenstarke Unterstützung

Gleich zu Beginn wurde deutlich, dass explizite Daten zu den Teilbranchen, die von Live-Publikum leben und deshalb besonders von der Corona-Pandemie betroffen sind, im 2. Bayerischen Kultur- und Wirtschaftsbericht fehlen. Um praxisnahe Lösungsvorschläge dennoch mit relevanten Zahlen und Details zu untermauern, hatten sich Anamica und Katrin den Kabarettisten, Liedermacher, Schauspieler und Kommunalpolitiker Roland Hefter, den Tourneemanager, Musikpromoter und Geschäftsführer von Backstage Promotion, Béla Rieger, und Nick Hellenbroich, Programmleiter der Veranstaltungsagentur MünchenMusik als Unterstützer eingeladen. Hefters Kollegin Monika Gruber sagte ihre Teilnahme kurzfristig wegen eines verlängerten Studiotermins ab.

Dieter Semmelmann, Geschäftsführer der Semmel Concerts Entertainment GmbH, einer der größten Konzertveranstalter Europas, mit Stammsitz in Bayreuth und sieben Filialen in deutschen Großstädten, hatte Anamica und Katrin zusätzlich mit aktuellen Umsatz- und Beschäftigtenzahlen versorgt. Diese belegten eindrücklich, dass innerhalb der Bayerischen Kultur- und Kreativwirtschaft nicht nur die Games-Branche, sondern auch Teilbereiche, die mit Live-Publikum arbeiten, einen gewichtigen Wirtschaftsfaktor in Bayern darstellen.


Diese Lösungsvorschläge fielen auf fruchtbaren Boden:

  • Die Branche braucht vor allem Planungssicherheit. Der stellvertretende Ministerpräsident möchte deshalb im Kabinett einbringen, Kulturveranstaltungen – genauso wie Schulen – nicht vorschnell „anzufassen“, wenn die allgemeinen Infektionszahlen steigen. Feste Bestuhlung und detaillierte Schutz- und Hygienekonzepte könnten aus seiner Sicht für ausreichend Sicherheit sorgen.
  • Hubert Aiwanger sieht die pauschale Besucherzahlbegrenzung als nicht angemessen an.  Sie sollte durch eine Anpassung an die tatsächliche Raumkapazität ersetzt werden.
  • Eine „Schachbrettbestuhlung“, die sich bei den Salzburger Festspielen bewährt hätte, sollte auch in Bayern in Veranstaltungssälen erlaubt sein, um die Abstände etwas zu verringern und damit die möglichen Besucherzahlen zu erhöhen.
  • Begleitet werden müssten diese Schritte durch eine von der Politik unterstütze Kampagne, die den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern wieder Mut zur Live-Kultur mache.
  • Aufgegriffen wurde auch der Aspekt, dass Tour- und Künstleragenturen bei der Schadensabwicklung benachteiligt werden: Während Reisebüros alle entfallenen Provisionen durch Corona-bedingt stornierte Reisen den Fixkosten bei Anträgen zur Überbrückungshilfe des Bundes zurechnen dürfen, haben Tour- und Künstleragenturen diese Möglichkeit bei abgesagten Veranstaltungen nicht. Diesen Umstand wollte Hubert Aiwanger im Bund anbringen.

Diese Lösungsansätze blieben ohne Widerhall:

  • Einen quartalsweise zu beantragenden fiktiven Unternehmerlohn von 1.180€ im Monat für besonders betroffene Soloselbstständige lehnt der Wirtschaftsminister weiterhin ab. Obwohl als Grundlage das durchschnittliche Monatseinkommen der letzten drei Jahre vorgeschlagen wurde, das über das Finanzamt leicht belegbar wäre. Aiwanger sieht hier zu viele Ausnahmefälle bei frischen Unternehmensgründungen, Zeiten der Kindererziehung etc. Für ihn ist weiterhin die Grundsicherung die passendere Lösung, weil der Zugang dazu weiter vereinfacht worden und die Vermögensprüfung vollständig ausgesetzt sei. Dass dies in einigen Jobcentern anders gehandhabt werde und auch Bedarfsgemeinschaften weiter gelten, ließ den Wirtschaftsminister nicht von seiner Meinung abbringen. Nach vielen Erfahrungsberichten unterstützt die Ausgestaltung des Harz IV-Bezugs außerdem das „Hochfahren“ einer kreativen unternehmerischen Tätigkeit nicht  –  auch das war Aiwanger nicht Argument genug.
  • Den Vorschlag von Roland Hefter, den kulturellen Veranstaltungsbetrieb zu fördern, indem die Besucherzahlbegrenzung durch sogenannte „Geistertickets“ (= staatliche Förderung für die gleiche Anzahl der verkauften Tickets) aufgefangen werden könnten, wies der Freie Wähler-Chef  ab: Das würde andere Branchen benachteiligen.
  • Der Wirtschaftsminister sah außerdem keine Möglichkeit, dafür zu bürgen, für Veranstaltungen, die wegen der aktuell gültigen Besucherzahlbegrenzungen abgesagt oder verschoben werden müssen, vertragsrechtlich wieder „höhere Gewalt“ als schadensverursachendes Ergeinis gelten zu machen. Veranstalter riskieren damit also weiterhin, dass Mietkosten fällig werden, obwohl Veranstaltungen nicht stattfinden können.

Weitere besprochene Themen & Anregungen:

  • Hubert Aiwanger riet weiterzuverbreiten, Bundeszuschüsse für pandemiebedingte Investitionen z.B. für spezielle Belüftungsanlagen in Veranstaltungsräumen zu nutzen. Dieses Thema würde immer mehr an Bedeutung gewinnen.
  • Anamica Lindig und Katrin Neoral gaben dem bayerischen Wirtschaftsminister noch zu bedenken, dass Einschränkungen für private Feiern auch negative Auswirkungen auf die Branche hätten: Musiker, die für Geburtstage, Hochzeiten und Taufen gebucht würden, würden dadurch erneut Einnahmen wegbrechen.
  • Einigkeit herrschte darüber, dass die Branche sich mehr zusammenschließen müsste, und ein brachenübergreifender Verband als erster Ansprechpartner wie in anderen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen für die Politik und alle Betroffenen sehr hilfreich wäre. In diesem Zusammenhang wurde der neu gegründete Bayerische Landesverband für Kultur- und Kreativwirtschaft (BLVKK) angeführt.

Offen bleibt, wie das Kabinett die von Hubert Aiwanger in Aussicht gestellten Erleichterungen für die Branche aufnimmt. Katrin Neoral und Anamica Lindig haben für die Diskussionsveranstaltung am 28. September in jedem Fall jede Menge neue Erfahrungen mitgenommen.


Mehr über den Weg zu der Diskussionsveranstaltung findet sich in nachstehendem LINK-Beitrag >

> “Kultur in der Krise”
Beitrags-Übersicht zu den Initiativen von jourfixe-Mitglied Katrin Neoral und Sängerin Anamica Lindig zur Verbesserung der Lage Kulturschaffender in Bayern sowie zur Diskussionsrunde 28.9./Münchner Volkstheater

Veröffentlicht von Gaby dos Santos

GdS-Blog, Bühnenproduktionen (Collagen/Historicals), Kulturmanagement/PR > gabydossantos.com

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