#SchreibResi(dency): BloggerInnen im Vormarsch? – Das literarische Angebot der MONACENSIA, exemplarisch festgemacht an einem Diskussionsabend, moderiert von Autor Sebastian Stuertz, mit Marius Müller & Katharina Herrmann

Feuilleton vs. Blogs – Buchkritik im Wandel“ – selbst Bloggerin und an Literatur generell interessiert, sprach mich die Themenstellung an: „Die Buchbloggenden Katharina Herrmann und Marius Müller setzen Impulse: Wie schreibt man heutzutage über Literatur? Wie reagiert die klassische Buchkritik? Wieviel Idealismus braucht man? Und was ist die Lage der deutschen Gegenwartsliteratur?“

Hinter der grünen Monacensia-Tür am 14.9.22 diskutieren
die Buchbloggenden Katharina Herrmann und Marius Müller

So fand ich wieder einmal meinen Weg durch jene imposante grüne Holztür – eigentlich mehr Tor als Tür – die vom (Lese)Garten und dem Café MON in den Veranstaltungssaal führt, der wiederum in die Dauerausstellung Literarisches München zur Zeit von Thomas Mann mündet.

Angesetzt war die Veranstaltung im Rahmen des neuen Monacensia-Projekts SchreibResi, einer Schreib-Residency, mit Dana von Suffrin, als erster Autorin, die die Künstlervilla als Schreibwerkstatt und sozialen Begegnungsraum nutzt.

Die Residency stellt den Prozess des Schreibens in den Vordergrund.

Das Hildebrandhaus ist eine Bildhauervilla. Sie gibt uns die Idee der Werkstatt und des gemeinsamen Tuns als roten Faden vor. Eine Stadt wie München braucht Orte, für die Ideen wichtig sind und nicht Geld. Autor*innen brauchen diese Orte, wir alle brauchen sie.

ANKE BUETTNER, Leiterin der Monacensia; Foto: Münchner Stadtbibliothek, Eva Jünger
> MEHR zur #SchreibResi im Blog von Tanja Praske

Das Corona bedingte Fehlen der Gastgeberin erinnerte kurz daran, dass die Zeiten längerfristiger Planungen noch lange nicht wiederhergestellt sind. Dafür zeigte sich die Flexibilität der Monacensia, die kurzerhand Sebastian Stuertz einzuspringen bat. Praktischerweise war der Autor, Designer, Regisseur und Musiker aus Hamburg sowieso am darauffolgenden Abend für einen Talk gebucht. Zudem verbindet ihn mit Dana von Suffin eine kollegiale Freundschaft, wie er uns zu Beginn des Abends verriet. Den begann er, indem er erst einmal in aller Ruhe sein Abendessen nachholte und danach allen Anwesenden das „Du“ vorschlug.

Sebastian Stuertz, Autor, Designer, Regisseur und Musiker, moderierte den Abend und trat am darauffolgenden Abend, ebenfalls in der Monacensia, selbst als Protagonist eines Talks auf

Solcherart Laissez-faire ist mir von Ländern wie Frankreich, Italien und Brasilien vertraut, in deutschen Kulturinstitutionen bislang jedoch eher selten begegnet; schon gar nicht in der offiziellen städtischen Literaturszene. Die erlebte ich über Jahrzehnte eher als konservativen Hort gedruckter Sprache, in dem ich die Auseinandersetzung mit Literatur oft zu bedeutungsschwangeren Worthülsen erstarren sah, mit Podien, die vor Eitelkeit strotzten, jedoch wenig Dialogbereitschaft gegenüber dem Fußvolk weiter unten zeigten.

Bunte Mischung auf Augenhöhe: am 14.9.2022 in der Monacensia

Daher empfand ich den Einstieg in den Diskussionsabend der Monacensia schon einmal als vielversprechend, zumal nicht nur der Moderator, sondern auch die teils ganz !privat und recht zahlreich erschienenen MitarbeiterInnen von Anfang an für eine entspannte Stimmung sorgten, mit Round Table Feeling anstelle eines klassischen Podiums mit Fallhöhen. Dabei erschien mir die Wohlfühlatmosphäre dem Selbstverständnis der Monacensia als partizipative literarische Begegnungsstätte geschuldet.

mitmachen!

Um diese voranzutreiben, greift man hier, neben Altbewährtem, auch auf Kommunikations- und Ausdrucksformen zurück, die in angestammten Kulturzirkeln noch immer als eher „pfui“ gelten: Soziale Medien und Blogs. Doch sind sie die Zukunft, wie sich auch in der Diskussion bestätigte.

Zwar ist der Hype der Verlage um BloggerInnen abgeebbt, dennoch berichteten beide Buchbloggenden, Katharina Herrmann und Marius Müller, von Kooperationen mit etablierten Literatur-Jurys und Medien, wie dem Deutschlandfunk, für den Herrmann immer wieder Beiträge verfasst. Beide verdanken aber ihren Aufstieg in der literarischen Szene auch der Reichweite der sozialen Medien, über die sie ihre Beiträge bewerben.

Mein Name ist Katharina Herrmann, ich wohne in München, lese manchmal Bücher und schreibe seit 2013 manchmal hier das Internet voll. Manchmal bin ich auch als Kritikerin im Radio zu hören, insbesondere auf DLF Kultur. Ich nehme keine nicht angeforderten Rezensionsexemplare an. (…)

Katharina Herrmann
Auszug „Vita“ aus ihrem Blog
> KULTURGESCHWAETZ

Unprätentiös auch die Selbstdarstellung von Marius Müller, jedoch umso größer die offensichtliche Leidenschaft, mit der er sich der Literatur widmet:
… „Die Freiheit zu schreiben!“
Die Anzahl an Besprechungen, die er bewältigt, lösen bei mir, gerade weil ich auch blogge, Schwindel aus, zumal jedes Buch ja erst einmal gelesen und dann gründlich durchdacht sein will, bevor es sich darüber schreiben lässt.

Möglich sei dies nur, weil er einer geregelten Arbeit nachgehe und sich zur Zeit kein Privatleben leiste“, erläuterte er.

Mein Name ist Marius Müller aus Augsburg. Ich liebe Literatur – deshalb schreibe ich hier über sie. Wenn ich nicht über Bücher schreibe, diskutiere, moderiere und organisiere ich Literaturevents im süddeutschen Raum.“ > Buch-Haltung nennt sich sein Blog, dessen Untertitel „subjektive Buchkritik seit 2013“ mir ausgesprochen gut gefällt 😉

Um en detail die Lage der deutschen Gegenwartsliteratur zu erörtern, fehlte es, angesichts der vielen angerissenen Themen an Zeit; meiner Meinung nach wurde jedoch der Status Quo deutscher Literatur allein schon durch die Anwesenden selbst repräsentiert. Deren umfassende Hinwendung zur Literatur, ihre Lebensleistung in noch jungen Jahren, unterstützt durch die Möglichkeiten des Internets, stimmen mich zuversichtlich, wie überhaupt die neue Generation Kulturschaffender. Die hätte ich mir so schon vor Jahren gewünscht … ;-(

Weitere Anwesende aus Monacensia u/o Literaturszene

REBECCA FABER
Programmltg. Monacensia
Bloggt auf wepsert.de


THOMAS SCHÜTTE
Leiter des Literaturarchivs der Monacensia
TINA RAUSCH
Am liebsten mach ich was mit Büchern!


Erlebt habe ich einen dieser wünschenswerten Abende, an denen die Grenze zwischen den DiskutantInnen und dem Publikum mehr als fließend waren. Auf die eine oder andere Art und Weise widmen sich nämlich fast alle Anwesenden dem Schreiben/Bloggen. Entsprechend lebhaft gestaltete sich der gedankliche Austausch und reizte den Zeitrahmen bis Ultimo aus.

Gaby dos Santos‘ Fazit in einem Facebook-Post unmittelbar nach der Veranstaltung am 14.9.2022

Die die anfangs erwähnte grüne Holztür blieb jedenfalls lange offen und hat auch generell Symbolkraft für mich: Sie markiert den Übergang in das Multiversum der Monacensia, in der es eine große und wechselnde Vielfalt an Literatur und Kultur aus dem Münchner Stadtleben – von anno dazumal ebenso wie von heute – zu entdecken gibt, gemäß der Bedeutung des lateinischen Namens Monacensia  „Münchnerisches“.

Gaby dos Santos an der Tür der Monacensia; Foto: Dirk Schiff
Veranstaltungsfoto 2018 zur Uraufführung des Historicals
„Franziska zu Reventlow“ mit Autorin Gunna Wendt
Bildprojektion aus dem Historical;
Collage: Gaby dos Santos

Deshalb hatte ich diese Tür 2018 instinktiv als Basis für die Collagen des Historicals „Franziska zu Reventlow“ gewählt und alle weiteren Bild-Elemente der Produktion sukzessive einmontiert – die Tür als Passepartout zu Leben und Werk der Schwabinger Ikone – deren literarischer Nachlass hier lagert und nicht nur ihrer: Die Monacensia bezeichnet sich daher als „literarisches Gedächtnis der Stadt München“, eine organische Bezeichnung, die das Anliegen des Hauses nach literarischer Lebendigkeit widerspiegelt, auch wenn es Vergangenes verwahrt. Entsprechend vielfältig gestaltet sich das Programmangebot rund um DAS WORT und dessen SchöpferInnen, mit Lesungen, Ausstellungen, Diskussionsabenden, Workshops u.v.m.

Das Institut der Münchner Stadtbibliothek (die Monacensia) vereint unter einem Dach Literaturarchiv, München-Bibliothek, Forschungszentrum, Ausstellungsraum und Bildungsort. Das Monacensia-Literaturarchiv ist das größte seiner Art in Bayern. Über 300 Nachlässe und Konvolute mit engem Bezug zu München werden hier gesammelt, erschlossen, präsentiert und vermittelt. Diese Originalbeständen ermöglichen Grundlagenarbeit für kritische Editionen, wissenschaftlich fundierte Präsentationen, Buch- und Forschungsprojekte.

Detailliertere Informationen zur Monacensia und ihren Beständen finden Sie hier (…)“

Monacensia digital > www.monacensia-digital.de

Das Prinzip „Monacensia“ bringt Schriftstellerin Dana von Suffrin, die erste #SchreibResi, auf den Punkt:

Schriftstellerin Dana von Suffrin, die erste #SchreibResi der Monacensia

Für mich ist die Monacensia der Ort, an dem das alte München, die Kunst, die Literatur, das Bürgertum, auf das 21. Jahrhundert, auf Fritzcola und Liegestühle trifft – ich hätte gerne mehr solcher Orte!

Autorin Dana von Suffrin, aktuelle #SchreibResi

Da ich sie ja leider letzte Woche Corona bedingt verpasst habe, hole ich das Kennenlernen gleich Morgen, bei der nächsten #SchreibResi-Veranstaltung nach, deren Einladungstext ebenso kryptisch, wie spannend anmutet …
Monacensia Style eben 😉

Donnerstag, 22.9.2022/17h – Monacensia im Hildebrandhaus:

#SchreibResi: Der erotischste Friedhof, den ich je sah!
Ein halb-wahnsinniger Schreibspaziergang
mit Sandra Hoffmann und Dana von Suffrin

Schreibspaziergang? Aber nicht so, wie Sie denken! Wir wollen mit Ihnen Bogenhausen erkunden, inventarisieren und verstehen – und einmal ein bisschen anders auf diesen Stadtteil blicken.

Ein wenig nach dem Vorbild der französischen Künstlergruppe OULIPO aus den 1960er Jahren und an Raymond Queneaus „Stilübungen“ angelehnt, wollen wir uns beim Schreiben Zwänge auferlegen, um nicht immer in gleiche Muster zu verfallen. Und also, wollen wir mal nicht beklemmt?beklommen? auf dem Friedhof herumstehen, sondern lieber überlegen, wen man da auferstehen lassen und auf sein erotisches Potential abklopfen kann. Wir werden nicht ehrfürchtig zum Friedensengel hinaufglotzen, sondern ihn mit Kampfgeist zu uns und auf die Stadt hinabsprechen lassen. Und wie hört sich ein Liebesbrief an Franz von Stuck oder eine Lobrede auf den ansässigen Delikatessenladen an?

Eingeladen sind alle, die Lust haben mit den beiden Autorinnen etwa zwei Stunden durch Bogenhausen zu spazieren, zu staunen, zu lachen und zu schreiben, um danach die Ideen im Atelier der Monascensia zu kleinen Texten auszuarbeiten und natürlich: vorzulesen.
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Eintritt frei
Anmeldung erforderlich unter monacensia.info(at)muenchen.de mit dem Betreff: #SchreibResi

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Maximal 12 Teilnehmer*innen,
möglicherweise Wiederholungstermin am 29.09.2022, 17.00 – 21.00 Uhr 



Veröffentlicht von Gaby dos Santos

GdS-Blog, Bühnenproduktionen (Collagen/Historicals), Kulturmanagement/PR > gabydossantos.com

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