„Die Unendliche Geschichte“ in der gefeierten Bühnenadaption des Salzburger Landestheaters bis Sonntag, den 25.6. im Deutschen Theater München; Musik: Katrin Schweiger

Erlebniswelt „Theater“: Wenn eine Inszenierung jeden meiner Sinne anspricht und zugleich Raum für eigene Fantasien lässt, erlebe ich einen Zauber, der mich auch heute noch, im Zeitalter von Blockbustern und Streamingdiensten, ins Theater lockt; vielleicht gerade heutzutage, wo den Inszenierungen eine Vielfalt neuer, multimedialer Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung steht, zusätzlich zur Fülle an Instrumentarien, die sich bereits über Jahrhunderte auf der Bühne bewährt haben.

Aaron Röll (Bastian) und Leyla Bischoff (Atréju) – Foto: Anna-Maria Löffelberger

Diesbezüglich zieht Carl Philip von Maldeghem, Intendant und Theatermacher am Salzburger Landestheater, in seiner Bühnenadaption von Michael Endes „Die unendliche Geschichte“ alle Register und bietet eine einzigartige Mischung aus Schauspiel und Puppentheater mit eindrucksvollen Videoanimationen und der eigens dafür komponierten fantastischen Musik. > MEHR

Anders als durch ein stimmiges Zusammenspiel unterschiedlichster Inszenierungsmittel wäre die Umsetzung eines so komplexen Stoffes auch kaum möglich gewesen, denn es handelt sich hier um eine

… große, phantastische Reise, einen philosophischen Entwurf und Weltendrama.

Die Erben von Michael Ende haben eine neue und einzig gültige Bühnenfassung autorisiert, die erstmals beide Teile des Romans umfasst und die Handlung auf eine Theaterbühne mit der ihr eigenen Magie verlegt.

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Carl Philip von Maldeghem, Intendant und Theatermacher am Salzburger Landestheater erläutert:

Christian Floeren (Ausstattung), Katrin Schweiger (Musik) und Intendant Carl Philip von Maldeghem am 21.6.2023, nach der ersten Aufführung im Deutschen Theater in München; Foto: Gaby dos Santos

[…] Mit der Produktion, die Musik, Schauspiel und verschiedene Theatertechniken vereint, haben wir das Potenzial dessen, was Theater sein kann, in vieler Hinsicht ausgeschöpft.

Wir haben dabei auf die Stärken des Theaters gesetzt und auch Ästhetiken, die aus dem Film und dem Musical bekannt sind, hinzugefügt.

> […]

Carl Philip von Maldeghem, Intendant und Theatermacher am Salzburger Landestheater im Interview

Die abwechslungsreiche Musik Katrin Schweigers schafft klingenden Raum für Soli und Ensembles. Herz zerreißend die Klage der traurigen Archarai, durch Staffelung der Bühne als Kopfwürmer sichtbar. Wenn Bastian sie zu übermütigen Schlamuffen „umwünscht“, werden auch musikalisch nervende Schmetterlinge auf Angeln über die Bühne gehangelt.

Menschen mischen sich nahtlos mit Puppen.



Zu dieser Urform an Theaterkunst ermöglichen Bühnenapparate und Projektionstechnik spektakuläre Effekte. […]

Aus > DrehPunktKultur – Foto: Anna-Maria Löffelberger

Wer jetzt aber eines dieser spektakulär mit Effekten gespickten – und oft ebenso spektakulär glatten – Musicals erwartet, irrt.

Zwar bedient sich dort, wo sinnvoll, die Inszenierung durchaus spektakulärer Effekte, setzt diese aber nur punktuell und dramaturgisch gezielt ein, wodurch sie ihre Wirkung voll entfalten, ohne dem Publikum die Freiräume für dessen eigene Vorstellungskraft zu nehmen, denn Carl Philip von Maldeghem interpretiert sowohl seine Produktion als auch das Stück an sich als …

[…] ein großes Plädoyer für die Phantasie.



Michael Ende hat der Kraft der Phantasie sehr viel zugetraut, und es lag ihm am Herzen, dass sein Publikum sich eben nicht nur in entfernte Lesewelten verzaubern lässt, sondern die Kraft der Phantasie auch für den eigenen Alltag und das eigene Leben nutzt. Insofern kann man aus dem Theaterbesuch phantastische Kraft schöpfen.

> […]

Carl Philip von Maldeghem, Intendant und Theatermacher am Salzburger Landestheater im Interview
Foto: Anna-Maria Löffelberger

Daher mutet diese Produktion dem Publikum etwas zu, das meiner Meinung nach viel zu selten an großen Bühnen geboten ist: Jene Unvollkommenheit, die uns erst die Möglichkeit einräumt, nach persönlichem Gusto zu Ende zu fantasieren, was wiederum die Bindung zwischen Bühne und Zuschauerraum stärkt. Ich halte den Standpunkt, „ernsthafte Kunst“ definiere sich vor allem durch Perfektion und maximale Ausgestaltung für verfehlt. Beide Aspekte spielen sicherlich eine Rolle bezüglich der Qualität einer Produktion, aber andere mindestens ebenso, wenn nicht sogar mehr, wenn es darum geht, das Publikum wirklich zu erreichen. Ich denke dabei vor allem an Authentizität sowie an „weniger ist mehr“ – Umsetzungen an der richtigen Stelle.

Leyla Bischoff als Atréju reitet auf dem Glücksdrachen Fuchur

Solcherart Minimalismus zeichnet auch Carl Philip von Maldeghems Adaption von „Die Unendliche Geschichte“ aus.

So verzichtet er beispielsweise darauf, in die virtuelle Trickkiste zu greifen, um Atréju auf Fuchur durch die Lüfte reiten zu lassen. Stattdessen bedient er sich eines kleinen Kranarms, der zwischen Nebeln und diversen Wolken-Projektionen sichtbar bleibt. Doch seltsamerweise entzaubert dieser Blick hinter die Kulissen überhaupt nicht; jedenfalls nicht mich. Das Kind in mir, an das sich die „Unendliche Geschichte“ ja generationsübergreifend wendet, registrierte kurz das technische Hilfsmittel und wandte sich sofort wieder dem Flug durch die Wolken zu.

Richard Panzenböck im Foyer des Deutschen Theaters mit Katrin Schweiger; Foto: Gaby dos Santos

Ein Flug der beinahe zwei Stunden währte, zuzüglich Pause, aber buchstäblich im Flug verging, weil ich von Szene zu Szene mitfieberte, welchem Fabelwesen Bastian/Atréju wohl als nächstes begegnen würden, auf ihrer Reise durch die vom „Nichts“ bedrohten Parallelwelt Phantasia.

Zur Fantasie von Autor und Regie gesellt sich der Einfallsreichtum von Christian Floeren (Bühne und Kostüme) und die Figurenspielkonzeption von Richard Panzenböck, mit dem mich Komponistin Katrin Schweiger vor Beginn der Vorstellung bekannt machte.

Sein Handwerk, erzählte mir Katrin Schweiger, habe Richard von der Pike auf gelernt, u.a. bei der Londoner Muppet Truppe!

Und apropos Fantasy-Exkursionen: Was die dort ansässigen Zauberinnen anbelangt, so kommen diese heutzutage auch mal auf einem heißen Ofen daher, statt auf dem Besen und kleiden sich den Fantasien des Zeitgeists entsprechend. So erscheint beispielsweise Zauberin Xaide, alias Nicola Kripylo, Besitzerin eines Gartens voller fleischfressender Pflanzen, in Lack und Leder.

Mitreißende musikalische Einlage: Nicola Kripylo als Zauberin Xayide, in deren Garten fleischfressende Pflanzen blühen …
Foto: Anna-Maria Löffelberger

Passend zum Outfit komponierte Katrin Schweiger Xayide eine derart rasante Songeinlage auf den Leib, dass Christina Aguilera im Titelsong des Films Burlesque fast bieder im Vergleich wirkt. 😉

Tina Eberhardt als mütterliche Aiuola und Aaron Röll als Bastian; Foto: Anna-Maria Löffelberger

[…] Ihr Kompositionstil ist geprägt von der Verschmelzung verschiedener musikalischer Genres auf der Suche nach Emotionen. […]

Das Salzburger Landestheater über > Hauskomponistin Katrin Schweiger

Katrin Schweigers Musik bedient sich eines ausgesprochen breiten Spektrums an Stilen und zeichnet für die einzelnen Stationen, die Bastian respektive Atréju durchlaufen, ganz individuelle Klangteppiche, ob beim Lamento der Würmer, in der Geisterstadt oder zum Erscheinen der „Kindlichen Kaiserin“.

Besonders berührt hat mich das mittelalterlich anmutende Lied, das Aiuola (Foto) à capella Bastian vorträgt, daher bat ich Katrin, es mir zu erläutern:

Die Figur der Aiuola ist eine sehr mütterliche und deswegen war auch meine musikalische Idee dazu, dass die Komposition klingen soll, wie ein Lied, das eine Mutter ihrem Sohn vorsingt. Deswegen halte ich die Melodie sehr einfach, zumal sie auch etwas sehr Archaisches ausdrückt, eben diese ursprüngliche Liebe der Mutter zu ihrem Kind, nach der sich Halbwaise Bastian so sehr sehnt



Bei der musikalischen Umsetzung habe ich daher auf eine Kirchentonart zurückgegriffen und zwar auf die dorische, die sehr helle Klangfarben beinhaltet und atmosphärisch ein wenig ins Mitttelalterliche geht.

Katrin Schweiger, Hauskomponistin am Salzburger Landestheater

Fazit: Ein Theaterabend den ich sehr genossen habe, weil die Inszenierung mich für zwei pralle Traumstunden aus dem Hier und Jetzt zu entführt hat, noch dazu endlich wieder einmal vereint mit Katrin Schweiger, einer künstlerischen Weggefährtin noch aus den Zeiten meiner Kulturplattform jourfixe-muenchen, der sie die letzten Jahre angehörte.

Mit Komponistin Katrin Schweiger im Foyer des Deutschen Theaters, nach Aufführung des Previews von „Die Unendliche Geschichte“, 21.6. 2023

Katrin hat geschafft, was wenigen Kunstschaffenden aus der [Vogel]Freien Künstler- und Theaterszene gelingt: Der Sprung an die große Bühne.

Bei ihr wundert mich das allerdings nicht wirklich, denn ich habe immer an sie geglaubt, auf Grund ihrer Fähigkeit, Talent mit Effizienz zu paaren, konstant am Ball zu bleiben, ohne je aufdringlich zu wirken und dabei auch noch richtig nett zu sein!

Für diesen einen Abend hat sie mich mit in ihre neue Theaterwelt genommen, die ich als voll von künstlerischen Möglichkeiten wahrgenommen habe, imstande, auf höchstem Niveau zu vollenden, was ich im Rahmen meiner Mittel, in meinen Historicals, gleichermaßen anstrebe:

Die Intensität von Live-Darbietungen, verwoben mit multimedialer Farbigkeit, dazu der Einsatz unterschiedlichster Theaterelemente, ein maßgeschneiderter Soundtrack sowie die fein austarierte Mischung aus Anspruch und Unterhaltung ergibt in der Summe ein Theatererlebnis!


Eckdaten zum Münchner Gastspiel

Schlußapplaus im Deutschen Theater München, 21.6.2023, mit Intendant Carl Philip von Maldeghem, Mitte, neben ihm links Katrin Schweiger

DIE UNENDLICHE GESCHICHTE
nach dem Bestseller von Michael Ende
Bühnenfassung von John von Düffel
Musik von Katrin Schweiger

Das Deutsche Theater München
veranstaltet eine Produktion des
Salzburger Landestheaters

ab 8 Jahren

Vom 21. bis 25. Juni 2023
Mittwoch bis Freitag: 19:30 Uhr
Samstag: 15:00 Uhr und 19:30 Uhr
Sonntag: 14:30 Uhr

> KARTEN ab 29 €

 „Poesie ist die schöpferische Fähigkeit des Menschen, immer wieder auf neue Weise sich in der Welt und die Welt in sich zu erfahren und wiederzuerkennen“,

Michael Ende


Zukunftsmusik:

Thomas Linsmayer, Chef des Deutschen Theaters in München; Foto: Gaby dos Santos

„Die Zusammenarbeit mit dem Salzburger Landestheater wird fortgesetzt“ , betonte Thomas Linsmayer, Chef des Deutschen Theaters München beim After Show Umtrunk in kleiner Runde, sichtlich aufgeräumt angesichts des reibungslosen Ablaufs des Gastspiel-Auftakts – wobei das nächste Gastspiel aus Salzburg bereits in den Startlöchern steht:

HAIR
14.07.23 – 30.07.23 | TICKETS AB 29,00 €

Willkommen im „Age of Aquarius“. Im Rahmen des „Flower Power Festivals“ präsentieren wir Hair in der gefeierten Inszenierung des Salzburger Landestheaters von Regisseur Andreas Gergen. Bis heute hat dieses Kult-Musical über die Sehnsucht nach einer besseren und friedvolleren Zukunft nichts an Kraft verloren. Für zwei Wochen lautet das Motto: Let the sunshine in! … 


Titelfoto: Anna-Maria Löffelberger


Veröffentlicht von Gaby dos Santos

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