Nachdem ich mich, in Vorbereitung auf meine Auftritte zum Friedenstag am 3. Oktober, wochenlang mit so vielen Facetten des Tötens und Getötet Werdens befasst hatte, kam der Aufruf des Münchner Rats der Religionen zum Friedensgebet 2023 mehr als gerufen:

Unter dem Leitwort „Gemeinsam für Frieden und Gerechtigkeit“ steht das diesjährige Friedensgebet der Religionen am Donnerstag, 5. Oktober, um 19.30 Uhr auf dem Frauenplatz vor dem Liebfrauendom in München, das der Rat der Religionen veranstaltet.
Aus der Einladung des Rates der Religionen München zum Friedensgebet der Religionen 2023
Mitglieder verschiedener Münchner Religionsgemeinschaften lesen und rezitieren Texte aus ihren jeweiligen Heiligen Schriften, singen und sprechen Gebete aus ihren Traditionen.
Eine verlockende Aussicht bot sich mit der Einladung: Sich für einen Moment nicht mit den Untaten befassen, die derzeit Marianen-Gräben weltweit durch die geografische, politische und ethische Topografie der Menschheit ziehen – sondern sich in interreligiöser Gemeinschaft etwas Verbindendendem hingeben: Dem GEBET.

Hierbei setzte jede der anwesenden Religions-gemeinschaften eigene Akzente, die mir eine Reihe neuer Denkansätze eröffneten. Im Kern vereint uns Gläubigen auf aller Welt zwar die Hinwendung zum Göttlichen, aber aus ganz unterschiedlichen historischen, politischen und sozialen Narrativen heraus, die in den vielfältigen Ritualen der Glaubensausübung zum Ausdruck kommen.
So bestätigte sich mir gestern einmal mehr, wie bunt Gottes Welt doch ist! Aber leider auch beschränkt auf flüchtige Sternstunden interreligiöser/interkultureller Begegnungen. Da müssen wir Gläubigen wohl noch einige Zeit weiter an uns arbeiten, jede und jeder für sich, im „zwei Schritte vor, einer zurück“!-Verfahren, bevor wir auch nur ansatzweise in der Lage sein werden, Gottes Gebote im Alltag (vor) zu leben. Aber wir können uns tagtäglich darum bemühen, im Sinne einer harmonischeren Ko-Existenz und unser Dasein auf diesem Weg strukturieren. Diese Möglichkeit spiegelte sich auch in den Geboten wieder, die die VertreterInnen der verschiedenen Religionsgemeinschaften ansprachen. Sie mochten sich in der Ausdruckform unterscheiden, doch die Grundsätze dahinter muteten vertraut an, ob sie nun ein Rabbiner äußerte, ein Iman, ein Priester oder weltliche RepräsentantInnen.


Nach jedem Beitrag wurden Kerzen an der Friedenskerze angezündet:
Linkes Bild, v.l.
Rabbiner Jan Guggenheim, als Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG), Kantor Nikola David und Rabbiner Tom Kučera von der Liberalen jüdischen Gemeinde München Beth Shalom
Rechtes Bild, v.l. der der koptisch-orthodoxe Priester Abuna Deuscoros für die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) und der bulgarisch-orthodoxe Erzpriester Nedialko Kalinov für die Orthodoxen Kirchen,

In vielsprachigen Gesängen und Gebeten empfand ich mich für einen wohltuenden Augenblick als Teil eines umfassenden Ganzen, eingekuschelt in den Schein der Kerzen, vor der historischen Kulisse des Münchner Doms. Hinzu kam, dass mir die Kraft von Gebeten vertraut ist, einfach weil ich sie spüre. Und so versenkte ich mich, soweit das trotz meiner Fotografiererei möglich war, in das kollektive Gebet, das den Frauenplatz flüchtig in ein Biotop von Gläubigen verwandelte.
Mit einer – fast exemplarisch anmutenden – Ausnahme: Ein Mann in der ersten Reihe führte sich immer mal wieder bemüßigt, die Beiträge zu kritisieren und wies sinngemäß darauf hin: „Lasst Euch nichts vormachen, Jesus Christus ist und bleibt der größte König!“.
Mit Sicherheit hätte Jesus dazu eine ausgezeichnete Erwiderung geäußert. So aber wurde der Querulant allseits nur mit nachsichtigen Lächeln quittiert – und mit meinen wütenden Blicken. Mir mangelt es einfach immer noch an Langmut. 😉
Bei dieser Gelegenheit habe ich auch eine Glaubensrichtung kennengelernt, von der ich nie zuvor gehört hatte, das > Bahaitum, benannt nach dem iranischen Religionsstifter Bahāʾullāh (arabisch بهاء الله, Bahāʾ Allāh ‚Herrlichkeit Gottes‘; auch ist der religiöse Ehrentitel von Mirzā Husain-ʿAli Nuri (12. November 1817 – 29. Mai 1892 ).
Wie alle Bahá’í Gemeinden weltweit teilen wir die Vision von Bahá’u‘lláh „Die Erde ist nur ein Land, und alle Menschen sind seine Bürger“. Unsere regelmäßigen Aktivitäten sind ein Angebot an alle Menschen, ihren Beitrag zur Gestaltung unseres gemeinsamen Umfeldes zu leisten.
Motto auf der Homepage > muenchen.bahai.de





Von oben Uhrzeigersinn: Alevitische Gemeinde, Eren Yilmaz / evangelisch-lutherischen Stadtdekan Bernhard Liess / Heinz Roiger, Deutsche Buddhistische Union / Imam Belmin Mehic vom Münchner Forum für Islam (MFI), Generalvikar des Erzbistums München und Freising Christoph Klingan / Im Hintergrund, blauer Anorak: Dietmar Bruckmann für die Baha‘i-Gemeinde München

Musikalische Einstimmung: Der Posaunenchor des evang.-lutherischen Stadtdekanats München
Mehr zum gastgebenden Rat der Religionen München

Mit dem Rat der Religionen hat man 2016 eine …
interreligiöse Gesprächsplattform geschaffen, um einen werteorientierten Dialog in Gang zu bringen und zu führen, wenn es um den Frieden und die Menschenwürde unabhängig von Religion, Herkunft, Geschlecht und sexueller Orientierung geht. (…)
www.rat-der-religionen-muenchen.de
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