Als die Autorin Marie Velden im Frühjahr 2021, im Auftrag des Magazins FOCUS – Echte Verbrechen begann, den sogenannten „Parkhausmord“ von 2006 an der Münchner Millionärin Charlotte Böhringer neu zu recherchieren, ahnte sie nicht, dass sie damit den Grundstein für eine außergewöhnliche Initiative legen würde.
Zusammen mit ihrer langjährigen Freundin, der Fotografin Susanne von Lieven-Jell, gründete sie wenig später den Unterstützerkreis „zweifelHAFT“, der sich für Benedikt Toth einsetzte, den Neffen des Opfers, der aufgrund einer fragwürdigen Indizienkette zu lebenslanger Haft verurteilt worden war.
Was als journalistisches Projekt begann, entwickelte sich alsbald zur beeindruckenden Allianz zweier Frauen gegen lang übersehene Schwächen in diesem Ermittlungs- und Justizverfahren. Dabei scheuten sie keine Mühen, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen:

Sie sichteten tausende von Seiten in den Ermittlungsakten, deckten widersprüchliche Zeugenaussagen auf und stellten eigene Nachforschungen an. Tatsächlich stießen sie dadurch auf einen neuen Zeugen, der inzwischen die Relevanz bisher fahrlässig vernachlässigter Spuren bestätigte!
FAZIT:
Die Arbeit des Duos Velden/Jell im Mordfall Böhringer stellt somit ein wünschenswertes Beispiel für zivilgesellschaftliches Engagement dar, das entscheidend zur – voraussichtlich baldigen – Wiederaufnahme des Verfahrens beiträgt!
Benedikt „Bence“ Toth steht stellvertretend für jede und jeden von uns:
Wir alle könnten auf Grund widriger Umstände möglicherweise unschuldig in die Mühlen der Justiz und in lebenslange Haft geraten. Das haben mir die Ergebnisse der Recherchen des Duos Velden/Jell nochmals dramatisch vor Augen geführt und mich veranlasst, diese Ergebnisse auch im GdS-Blog aufzugreifen, in dem ich bereits seit Januar 2017 den Fall Böhringer begleite (s. die Link-Vorschauen am Textende).
In diesem Zusammenhang bat ich Marie Velden um nachstehendes Interview. Es rekapituliert schrittweise den Einsatz der beiden Frauen und vermittelt einen tiefen Einblick in deren Recherchen sowie in die Dynamik des damaligen Unterstützerkreises zweifelHAFT.
Zudem bietet dieses Interview eine hochspannende Schlüssellochperspektive auf einen Mordfall, der ganz Deutschland elektrisierte – nicht zuletzt mich, die ich die Society-Lady Charlotte Böhringer einst in einer Absturzkneipe kennengelernt hatte…
GdS: Marie, bitte erzähle doch von vorn: Wie bist du überhaupt in die Geschichte um den „Parkhausmord“ geraten?
Marie Velden: Im Frühling 2021 – ich arbeitete damals für das True Crime Magazin FOCUS – Echte Verbrechen – wurde ich beauftragt, die Geschichte um den „Parkhausmord“ noch einmal ausführlich zu recherchieren.
Vor allem im Hinblick auf die mögliche Unschuld des zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilten Benedikt Toth. Seine Verurteilung jährte sich damals zum fünfzehnten Mal und galt von jeher als umstritten.
Ich las also alle Artikel, die ich online finden konnte, sah mir sämtliche Dokus an. Bereits da begannen sich bei mir Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu regen.
Schließlich besuchte ich Benedikt Toth zu einem ausführlichen Interview in der Justizvollzugsanstalt in Straubing. Danach waren die Zweifel an der Richtigkeit des Urteils noch größer.

GdS: Warum?
Marie Velden: Auf der sachlichen Ebene waren es zum einen der sogenannte Indizienring von vierzehn Aspekten, der in seiner Gesamtheit schließlich zum Urteil geführt hat. Bis heute ist mir das vollkommen unverständlich, da in diesem sogenannten Indizienring ja auch sieben Benedikt Toth entlastende Aspekte aufgeführt werden !? Wie zum Beispiel der sogenannte und inzwischen berühmte Spur-Spur-Treffer: An einem Wasserglas in der Spülmaschine und an einer Kommode in der Wohnung Charlotte Böhringers wurde eine männliche DNA-Spur gefunden, die auf die Entführung von Ursula Hermann im Jahr 1981 verwies. Unmöglich konnte Toth der damalige Täter sein, da er zum Zeitpunkt von Ursula Hermanns Ermordung erst sechs Jahre alt war. Dennoch wurde diese Spur nicht weiter verfolgt, sondern, wie so vieles andere auch, als „fernliegend“ bezeichnet. Wie aber kann es sein, dass entlastende Aspekte überhaupt zu einem Urteil führen?
GdS: Das ist in der Tat eine berechtigte Frage. Und nicht nur die…
Marie Velden: Genau. Was das Urteil betrifft, gab es noch weit mehr, was mich befremdet hat. So war bei mir an etlichen Stellen der Eindruck entstanden, dass man die Dinge so „hingetackert“ hatte, dass nur Benedikt Toth als Täter in Frage kommen konnte. Vieles seine mögliche Täterschaft betreffend ist im Urteil im Konjunktiv formuliert. Also „der Angeklagte hätte das und das tun können“. Möglich ist wohl ziemlich vieles, aber um letztendlich zu urteilen – braucht es dafür nicht einen echten Beleg? Diese Vorgehensweise fand ich doch einigermaßen suspekt.
GdS: Wenn ich dich richtig verstanden habe, war es aber die Begegnung mit Benedikt Toth selbst, die dich in dem Entschluss bestärkt hat, „etwas“ tun zu müssen.
Marie Velden: Sie war auf jeden Fall gleichermaßen ausschlaggebend. Ich erinnere mich sehr gut an unser erstes Gespräch in Straubing und an nicht wenige Details die Tat betreffend, die sich in diesem Gespräch ganz anders darstellten, als sie im Urteil aufgezeigt worden waren. Was mir aber vor allem im Gedächtnis geblieben ist, war sein ungebrochener Kampfeswille und der unverhohlene, sehr laute Ruf nach Gerechtigkeit. Selbst nach fünfzehn Jahren stand da noch immer eine enorme Kraft im Raum. Das war nicht nur beeindruckend und vielsagend, sondern auch sehr aufwühlend.
GdS: Und hat dich offenbar nicht losgelassen. Wie ging es dann weiter?
Marie Velden: Ich erzählte Susanne von Lieven-Jell davon, mit der ich damals schon lange befreundet war. Ich schilderte ihr die Fakten und Ungereimtheiten im Hinblick auf das Urteil, meinen Eindruck von Benedikt Toth und meine Befürchtung, dass man tatsächlich einen unschuldigen Mann lebenslänglich hinter Gitter gebracht hatte. Gleichzeitig war ich aber unsicher. Mein Eindruck hätte ebenso gut falsch sein können. Es gab durchaus Fakten, wie zum Beispiel Toths mysteriöse Spritztour nach Augsburg, am Tag nach dem Mord, für die ich bis heute keine plausible Begründung gefunden habe. Man könnte sagen, in meinem Kopf herrschte ein ziemlicher Tumult.
GdS: Und um den zu klären besuchtest du Benedikt Toth gemeinsam mit Susanne von Lieven-Jell ein zweites Mal…
Marie Velden: Ja. Susanne hatte nach meinen Schilderungen ebenfalls Feuer gefangen und fragte, ob ich einen gemeinsamen Besuch in der JVA Straubing arrangieren könnte. Das klappte dann auch. Bei diesem Besuch ließ ich ihr dann den Vortritt im Gespräch. Ich wollte sie in ihrer Meinungsbildung nicht beeinflussen. Sie unterhielt sich sehr ausführlich und sachlich mit Toth. Durchaus auch mit angemessener Skepsis. Doch am Ende des Tages stimmte sie mir hinsichtlich meines Eindrucks zu. Auch sie war letztendlich zu dem Schluss gekommen, dass in diesem Fall ein potentiell unschuldiger Mann lebenslänglich hinter Gittern saß und dass das Urteil unbedingt auf den Prüfstand gehörte.
GdS: Wie kam es dann zu der Gründung Eures Unterstützerkreises „ZweifelHAFT“ ?
Marie Velden: Ich glaube, all die Ungereimtheiten in Urteil und Ermittlungen haben einen gewissen Jagdinstinkt bei uns ausgelöst; auch verband uns ein großes Gerechtigkeitsgefühl. Der Gedanke, dass ein Mensch möglicherweise unschuldig zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden war, erschien uns unannehmbar. Schnell kamen wir überein, dass etwas unternommen werden müsste!
„(…) Erschreckend war auch der Gedanke, wie leicht man in eine solche Tragödie geraten und dass sie jeden von uns treffen kann. (…)
Marie Velden, Mai 2025, im Interview

Danach ging alles Schlag auf Schlag. Wir besprachen uns mit Susannes Vater, dem ehemaligen Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, der selbst Jurist ist. Genau wie wir entwickelte auch er, nach Darlegung der Fakten deutliche Zweifel am Urteil. Daraufhin arrangierte ich ein Gespräch zwischen uns dreien und den Anwälten von Benedikt Toth, Caroline Arnemann und Peter Witting, die uns den Fall aus ihrer Sicht schilderten. Am Ende des Abends war klar, dass wir etwas tun mussten: Wir befanden uns da sozusagen in der Geburtsstunde des Unterstützerkreises.
GdS: Welche Aufgaben hast du bzw. habt ihr dann übernommen? Wie muss man sich die Arbeit eines Unterstützerkreises vorstellen?
Marie Velden: Ich weiß nicht, wie andere Unterstützerkreise funktionieren oder ob es da festgelegte Aufgaben gibt. Wir haben einfach gehandelt, wie wir es uns gedacht haben. Das heißt, wir haben unsere Aufgaben nach einer gewissen Logik selbst festgelegt.
GdS: Das klingt jetzt aber eher bescheiden und nicht nach dem enormen Engagement, das da an den Tag gelegt wurde. Wie sah das denn nun im Einzelnen aus?
Marie Velden: Ziemlich vielfältig. Wir übernahmen die komplette Öffentlichkeitsarbeit. Daraus entstand unter anderem die Berichterstattung in der Süddeutschen Zeitung. Auch die große Dokumentation auf Sky geht auf unser Konto. Und natürlich standen wir in regelmäßigem Kontakt mit Benedikt Toth. Besuchten ihn alle zwei Wochen in Straubing.
Als Journalistin hatte ich quasi unbegrenzten Zugang. Das war auch gut so, denn es gab immer wieder etwas zu klären, wir hatten viele Nachfragen unsere Recherchen betreffend. Herr Toth hatte uns durch seinen Bruder den größten Teil der damaligen Ermittlungsakten zukommen lassen. Es waren ungefähr fünfzehn Ordner. In jedem befanden sich hunderte, manchmal sogar weit mehr als tausend Seiten. Die ackerten wir alle durch, machten Notizen und so weiter. Ich schrieb unter anderem auf deren Basis die Texte für unsere Website. Überhaupt stellten sie immer wieder die größte und wichtigste Grundlage für unsere gesamte Arbeit dar.

GdS: Was genau ergab sich denn aus den Akten?
Marie Velden: Nun, zum einen kristallisierte sich heraus, dass man bei den Einvernahmen zweier Zeugen gewisse Details sozusagen „unter den Tisch gekehrt“ hatte; Details, die durchaus verdächtig wirkten und in eine ganz andere Täter-Richtung wiesen, nämlich in die Kreise der Münchner High-Society, zu denen der leitende Ermittler zeitlebens gute Kontakte pflegte… Mir erschien es, als sei mitunter „bemüht weggesehen“ worden. Diese Vorgehensweise, ob nun aus Willkür oder aus Verkennung von Tatsachen – empfand ich als äußerst befremdlich! Als Bürger erwartet man von Exekutive und Judikative doch den unbedingten Willen zur Wahrheitsfindung! Der jedoch ließ sich in diesem Fall, wie gesagt, nicht immer erkennen.
GdS: Um welche Zeugen handelt es sich dabei?
Marie Velden: Es geht dabei zum einen um jene Freundin von Charlotte Böhringer, die am Tattag den gesamten Nachmittag mit ihr verbracht hatte. Und die, nachdem sie sich gegen halb sechs verabschiedet hatte, mindestens noch eine halbe Stunde in ihrem Auto in der Parkgarage verbrachte und von dort aus noch einmal mit Charlotte Böhringer telefonierte. Diese Abfolge ging eindeutig aus den entsprechenden Verbindungsnachweisen hervor. Von der Polizei nach dem Inhalt des Telefonats befragt, gab sie an, sich nicht mehr zu erinnern. Es müsse sich wohl um „eine nichtige Ratschgeschichte“ gehandelt haben. Die Polizei ließ diese Aussage unbegreiflicherweise einfach so stehen und hakte nicht weiter nach…
GdS: Diese Zeugin erwies sich, wenn ich mich nicht irre, auch in anderer Hinsicht als relevant?
Marie Velden: In der Tat, denn auf ihrer Beobachtung gründet einer der wichtigsten Punkte des letzten Wiederaufnahmeantrags, dem Anfang 2025 auch stattgegeben wurde:
Bei Aktendurchsicht war ich seinerzeit, also 2021, auf einen AZ-Artikel von 2006 gestoßen. Er war während des Prozesses verfasst worden und titelte mit „Wer ist Mr X?“. Aus dem Artikel ging hervor, dass dessen Verfasserin während des Prozesses von einer Frau angerufen worden war, die zwar darauf bestand, anonym zu bleiben, aber dennoch von einer Beobachtung berichten wollte, die sie um die Tatzeit herum in der Parkgarage gemacht hatte. Dort sei ihr ganz in der Nähe der Wohnungstür von Charlotte Böhringer, ein Mann aufgefallen, der groß, älter und dunkelhaarig war und eindeutig nicht Bendedikt Toth, denn den habe die Anruferin gut gekannt.
GdS: Diese Zeugin war vermutlich jene Freundin, die Böhringer am Tag des Mordes besucht hatte, oder?
Marie Velden: Dessen war ich mir ziemlich sicher. Was wir nun aber brauchten, war eine Bestätigung, den ultimativen Beweis dafür. Zwar war die Frau während des Prozesses sowohl vom Anwalt Toths als auch vom Richter dazu befragt worden, doch hatte sie hartnäckig verneint, jene Anruferin gewesen zu sein. Die Verfasserin des Artikels wiederum hatte sich auf den Quellenschutz berufen, womit sie auch durchkam. Daraufhin wurde die Angelegenheit vom Gericht fallen gelassen und fand später keine Erwähnung mehr.
GdS: Bis fünfzehn Jahre später du und Susanne sinnbildlich auf der Matte standet…
Marie Velden (lacht): Na ja, so ungefähr. Ich fand es skandalös, dass man diese, in meinen Augen besonders vielversprechende Spur mit einem Achselzucken ad acta gelegt hatte und fragte mich natürlich auch nach dem Grund. Denn hätte man vor Gericht beweisen können, dass die Freundin Charlotte Böhringers identisch mit der Anruferin ist, dann hätte der Prozess meines Erachtens in eine andere Richtung laufen müssen und Benedikt Toth wäre vielleicht nie verurteilt worden. Für mich und auch für Susanne stand damals fest, dass wir besagte Journalistin unbedingt zum Reden bringen mussten.
GdS: Und wie hast du beziehungsweise habt ihr das in Folge bewerkstelligt?
Marie Velden: Da weder Susanne noch ich die Journalistin kannten, brauchten wir einen Mittelsmann. Zum Unterstützerkreis zählte auch der Radio-Redakteur Thomas Killian, dem der Fall „Böhringer“ ziemlich geläufig war, und der die betreffende Journalistin kannte. Wir baten ihn um ein Treffen, und ich erinnere mich sehr gut daran, wie wir abends mit ihm im Garten eines griechischen Restaurants saßen und ihn nicht nur mit Tsatsiki (lacht), sondern vor allem mit unseren Rechercheergebnissen und der „Mr-X“-Geschichte fütterten und ihn schließlich eindringlich baten, die Kollegin von der AZ zu kontaktieren.
GdS: Was er offenbar auch getan hat…
Marie Velden: Ja, und alles Weitere ging dann erstaunlich leicht vonstatten. Er rief sie an, lenkte das Gespräch in Richtung „Parkhausmord“, und die Journalistin, nach so vielen Jahren offensichtlich ohne Argwohn, verriet schließlich, dass es sich bei der anonymen Anruferin von damals tatsächlich um die Freundin Böhringers gehandelt habe. Das Ganze wurde später von ihr auch eidesstattlich beglaubigt, womit besagte Freundin Böhringers nun der Falschaussage überführt war.
GdS: Was für eine erstaunliche Geschichte, die vielleicht für immer in der Versenkung verschwunden wäre!
Marie Velden: Ja, vielleicht. Doch gut, dass sie nun bekannt ist, denn die Aussage der Freundin des Opfers führt direkt weiter zu einem Mann aus Böhringers unmittelbaren Freundeskreis. Der hatte bezüglich seines Alibis nicht nur augenscheinlich gelogen, sondern auch ein Tatmotiv. Charlotte Böhringer hatte dem Sohn dieses Mannes ein Mietshaus in Würzburg, im Wert von ungefähr einer Million Euro, als Vermächtnis in Aussicht gestellt, jedoch in den Wochen vor ihrem Tod immer wieder verlauten lassen, das Haus stattdessen verkaufen zu wollen. An ihrem Todestag hatte sie noch mit dem Hausverwalter sowie einem Immobilienmakler in Würzburg telefoniert und den Verkauf in Auftrag gegeben. Das hatten beide in einer polizeilichen Einvernahme bestätigt.
GdS: Ergaben sich denn hinsichtlich dieses Mannes noch weitere Verdachtsmomente?
Marie Velden: Dieser Mann hatte ein Alibi, dass uns von jeher eher zweifelhaft erschien. Er gab an, sich zur Tatzeit, also gegen 19 Uhr, in der Sauna des Cosima-Bads aufgehalten zu haben. Als Beleg hatte er der Polizei eine nicht personalisierte Dauerkarte vorgelegt, die also von „jedem“ hätte stammen können. Dennoch wurde dieser wenig aussagekräftige Beleg anstandslos als Beweis eines Alibis akzeptiert.
GdS: Und wenn ich mich nicht täusche, wurde dieses Alibi in Folge so ziemlich restlos zerpflückt. Aber wie und durch wen?
Marie Velden: Wir hatten auf unserer Unterstützerkreis-Website „zweifelhaft.org“ alle Besonderheiten des Falls ausführlich geschildert. So auch die um jenen Freund Böhringers. Nachdem die SZ am 9. April 2022 über unsere Website berichtet hatte……
GdS: Ich erinnere mich gut an diese Website. Man fand auf ihr sämtliche den Fall betreffende Informationen, zudem nicht nur akribisch, sondern ebenso verständlich aufbereitet.

Sie führte zu neuen Zeugen, Aussagen und Spuren, so dass der Prozess nunmehr neu aufgerollt werden soll!
Marie Velden: Wir haben uns alle Mühe gegeben… Also jedenfalls nachdem die SZ über unsere Website berichtet hatte, meldete sich bei uns ein Mann, der letztendlich das Alibi des Böhringer-Freundes gründlich in Frage stellte. Ich kann hier nicht alle Details wiedergeben, denn das würde den Rahmen sprengen, aber dieser Mann kannte den Freund Böhringers bereits von etlichen Sauna-Besuchen zuvor und war auch am Tattag vor Ort. Er bestätigte zwar die Anwesenheit von Böhringers Freund. Allerdings nur bis ungefähr Viertel nach vier. Zu dieser Zeit habe er ihn „vor dem Eingang der Stollensauna“ mit seinem Handy telefonieren sehen. Danach habe sich der Mann nicht mehr im Saunabereich aufgehalten, schon gar nicht – wie von ihm selbst behauptet – zum letzten Aufguss gegen 19.20 Uhr. Unsere weiteren Recherchen in den Verbindungsnachweisen stimmten mit der Aussage unseres neuen Zeugen überein. Der Freund Böhringers hatte tatsächlich telefoniert. Um genau 16.17 Uhr. Und zwar eine Minute und vierundzwanzig Sekunden mit Charlotte Böhringer selbst.
GdS: Was genau ergibt sich aus dieser neuen Zeugenaussage?
Marie Velden: Dieser Mann, dessen Sohn das Mietshaus in Würzburg später tatsächlich geerbt hat, könnte durchaus jener Mann gewesen sein, den die Freundin zwischen fünf und sechs Uhr in der Parkgarage gesehen hatte.
GdS: Könnte…
Marie Velden: Stimmt. Ein Konjunktiv. Aber einer, dem meines Erachtens doch unbedingt nachzugehen ist.
GdS: Es ist schon beeindruckend wie ihr all diese Dinge ans Licht gebracht habt. Und das in relativ kurzer Zeit. Wie waren die Reaktionen Eurer Mitstreiter darauf? Wie die von Benedikt Toth?
Marie Velden: Herr Toth schien von unserer Arbeit damals sehr angetan zu sein. Es verband uns ein herzliches und offenes Verhältnis.
Das galt aber leider nicht für alle unsere Mitstreiter. Es gab da einen – nennen wir ihn „Freund von Benedikt Toth“ – der offenkundige Eifersucht zeigte und uns deutlich als Konkurrenz empfand, und auch andere sahen uns – glaube ich – lieber von hinten als von vorn.
Eine Geburtstagskarte, Korrespondenzen und weiteres Material, das Benedikt Toth Marie Velden für deren Recherchen aus der Haft zukommen ließ

GdS: Wie enttäuschend! Warum denn nur? Man sollte doch meinen, ihr hattet alle dasselbe Ziel: Nämlich ein neues Verfahrens für Benedikt Toth.
Marie Velden: Ja, so habe ich das auch gesehen. Aber es war leider so. Ich erinnere mich daran, dass einer der Beteiligten einmal äußerte, er habe uns anfangs als „gelangweilte Schwabinger Hausfrauen“ eingestuft, „die ein bisschen Detektiv spielen wollten“. Das sagt doch schon sehr viel aus! Und als sich diese „Schwabinger Hausfrauen“ dann als ziemlich erfolgreich und clever entpuppten, stießen sie nicht unbedingt auf Begeisterung. Im Nachhinein hatte ich oft das Gefühl, man hätte uns zwar recht gerne in einer Cheerleader-Rolle gesehen, aber doch nicht als eigenständige und erfolgreiche Mannschaft!
GdS: Vor kurzem strahlte RTL+ eine große Dokumentation über den Parkhausmord aus. Aber leider ohne ein Interview mit dir und Susanne. Von Euren Recherchen und Ergebnissen berichteten stattdessen zwei andere Journalisten, so dass es wirkte, als handele es sich um ihre eigenen. Das hat mich derart irritiert, dass ich dich unter anderem deshalb um dieses Treffen bat. Hast du eine Erklärung dafür, warum RTL Euch übergangen hat?
Marie Velden: Nein, eine Erklärung dafür habe ich nicht. Aber natürlich habe ich das Ganze selbst auch mit Befremden zur Kenntnis genommen.
Gaby dos Santos sichtet mit Marie Velden im Mai 2025 Material zum Fall Böhringer

> Der Parkhaus-Mord – Ein Justizirrtum? – RTL+ 2025
GdS: Desweiteren ist eure informative Website nicht mehr online. Wieso wird sie nicht weiter betrieben?
Marie Velden: Auch das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich kann nur sagen, dass Susanne ein Gespräch mit Herrn Toth nach dessen Freilassung hatte, in dem sie ihn fragte, ob er sich zukünftig nicht selbst um die Pflege der Website kümmern wolle. Das wollte er nicht, stattdessen entschied er sich dafür, sie vom Netz nehmen zu lassen…
(Ende meines Interviews mit Marie Velden vom 25. Mai 2025)
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8. April 2022, Süddeutsche Zeitung
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28. Mai 2024, Süddeutsche Zeitung
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