„Euer Schicksal ist das Mahnmal der Gegenwart“ – Das neue Holocaust-Denkmal der Sinti & Roma in Hamburg als Ort des Gedenkens und der Aufklärung; Momentaufnahmen der Einweihung von Alexander Diepold

„Euer Schicksal ist das Mahnmal der Gegenwart“ lautet eine Inschrift auf dem Holocaust-Mahnmal der Sinti und Roma, das am Totensonntag 2023 auf dem Friedhof Diebsteich in Hamburg feierlich eingeweiht wurde.

Formuliert hat sie Christian Rosenberg, Erster Vorsitzender des Sinti-Vereins Hamburg. Dieser Verein war federführend beim Bau der neuesten Gedenkstätte dieser deutschen Minderheit und engagiert sich zudem als Familienbildungszentrum für Sinti und Roma, gewissermaßen ein Hamburger Pendant zu Alexander Diepolds Familienberatungs- und Kulturzentrum Madhouse in München. Der nahm dann auch solidarisch die weite Zugfahrt vom Süden der Republik in die nördlichste Metropole in Kauf, um an der Eröffnungszeremonie teilzunehmen.

V.li: Giovanni Weiß (2. Vorsitzender), Christian Rosenberg, Alexander Diepold, Kelly Laubinger (Erste Vorsitzende des BVSR sowie der Sinti Union Schleswig Holstein) mit Vater

Alexander Diepold (Madhouse München) zu Besuch bei Christian Rosenberg (Sinti Verein) in Hamburg

Zum Konzept des Mahnmals erläutert der Sinti-Verein Hamburg auf seiner Homepage:

“ (…) Der Friedhof Diebsteich ist seit Jahrzehnten DER Friedhof, auf dem die meisten Sinti und Roma im Hamburger Westen und Umgebung beigesetzt worden sind. Bei Besuchen unserer Gräber sind wir oft mit anderen Menschen ins Gespräch über Sinti und Roma gekommen. Immer wieder haben wir festgestellt, dass die Mehrheitsgesellschaft kaum Informationen über unsere Geschichte und das Verfolgungsschicksal hat. Deswegen konnten wir der Idee, dieses Mahnmal dort zu platzieren, von Anfang an viel abgewinnen.

Es folgten viele Gespräche mit unserer Community (deren verstorbene Angehörige auf dem Friedhof beigesetzt wurden), der Bundesvereinigung der Sinti und Roma (BVSR), mit Vertretern der Politik, der Kirche, der Behörden und der Friedhofsverwaltung. Im April 2023 hatte der Sinti-Verein die erforderliche Summe an Spendengeldern erreicht und der Bau konnte beginnen. Am 26.11.2023 wurde das Mahnmal feierlich eingeweiht. (…)“
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Zitat www.sinti-verein.de – SINTI VEREIN HAMBURG
Detail-Ansichten des Holocaust Mahnmals der Sinti und Roma in Hamburg

Das Mahnmal soll ein Ort des Gedenkens werden, nicht zuletzt für all die Familien, deren Angehörige dem Holocaust zum Opfer fielen und denen bislang zumeist eine Grabstätte fehlte, um ihre Lieben zu betrauern.

Zugleich soll hier auch ein Ort der Zusammenkunft und Aufklärung entstehen. So lautet der Appell des Vereins an die Hamburger Mehrheitsgesellschaft:

Sollten Sie Interesse haben, mit uns vor Ort gemeinsam auf das Schicksal der Sinti und Roma zu schauen, sollten Sie mehr über die Geschichte und Gebräuche erfahren wollen, wenden Sie sich jederzeit gerne an unseren Verein:

+49 (0) 40 – 466 44 700 oder info@sinti-verein.de

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Zitat www.sinti-verein.de – SINTI VEREIN HAMBURG

Dass die deutsche Minderheit der Sinti und Roma zunehmend in unserer Mehrheitsgesellschaft als eine der Opfergruppen des Holocaust wahrgenommen und Gedenkstätten errichtet werden, ist zwar eine erfreuliche Entwicklung, eingesetzt hat sie aber sehr spät und mit noch einiger „Luft nach oben“ in Bezug auf gesellschaftliche Gleichstellung und dem Abbau von Vorurteilen, nicht zuletzt durch o.g. „Aufklärungsarbeit“.

So ist beispielsweise in der Mehrheitsgesellschaft kaum bekannt, dass den Sinti und Roma für das erlittene Unrecht in der NS-Zeit, für Zwangssterilisation, Spätfolgen von KZ-Haft und medizinischen Versuchen, etc. zunächst keinerlei Entschädigung gewährt wurde. Vielmehr wies man ihnen auch noch die Schuld an ihrem Leid zu:

Sie [die ‚Zigeuner‘] neigen, wie die Erfahrung zeigt, zur Kriminalität, besonders zu Diebstählen und Betrügereien; es fehlen ihnen vielfach die sittlichen Antriebe der Achtung vor fremden Eigentum, weil ihnen wie primitiven Urmenschen ein ungehemmter Okkupationstrieb eigen ist> Mehr

Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Januar 1956, aufgehoben erst 2016!

Daher hoffe ich von Herzen, dass sich möglichst viele Hamburgerinnen und Hamburger nachstehender Utopie des Sinti-Vereins Hamburg anschließen werden:

(…) Darüber hinaus steht der Gedenkort für den Aufbau einer Zukunft, in der Behördenvertreter und Bevölkerung den Mut haben, sich Vorurteilen, antiziganistischen Klischees und noch heute bestehender Diskriminierung entgegen zu stellen. Wir können die Vergangenheit nicht wiedergutmachen, jedoch in der Gegenwart dafür sorgen, dass sich diese Grausamkeiten nie mehr wiederholen. Dass sich alle Menschen in der Welt mit gegenseitigem Respekt begegnen. Dass Rassismus, Antiziganismus und Ausgrenzung jeglicher Art in unserer Gesellschaft nichts zu suchen haben. (…)

Zitat www.sinti-verein.de – SINTI VEREIN HAMBURG


Beitrag im Hamburg Journal vom 26.11.2023


Apropos Holocaust-Mahnmale der Sinti und Roma in Deutschland gibt es eine gute und eine – (unverändert) schlechte Nachricht zu vermelden: Nachdem lange die bisherige, unzureichende Lösung einer Gedenkplakette unter „ferner liefen …“ in München beanstandet worden war, ist jetzt ein neues, konzeptionell ausgefeiltes Mahnmal konkret in Planung.

Konzeptionell ausgefeilt und vor allem kontemplativ gestaltet sich auch das Mahnmal in Berlin, für mich sogar die atmosphärisch dichteste Gedenkstätte, die ich kenne, doch ist das Kunstwerk, gerade einmal etwas mehr als zehn Jahre nach Eröffnung, bereits akut von Baumaßnahmen für eine neue S-Bahntrasse bedroht … Ausgang weiterhin offen!

Details dazu s. nachstehende Vorschau >

https://gabydossantos.wordpress.com/das-berliner-mahnmal-der-sinti-und-roma


Eine Übersicht zu Sinti & Roma …

https://gabydossantos.wordpress.com/kulturpolitik/sinti-roma-jenische-reisende


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Die Titel-Collage von Gaby dos Santos kombiniert Foto-Ausschnitte des Hamburger Mahnmals mit Bild-Elementen aus dem Historical „Nächster Halt Auschwitz“, zur Chronik und Deportation der Sinti und Roma bis 1943

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Veröffentlicht von Gaby dos Santos

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