Sinti & Roma, Jenische & Reisende

In der NS-Zeit wurden diese Volksgruppen unter dem Sammelbegriff „Zigeuner“ verfolgt und ermordet. Dennoch mussten sie in der Nachkriegszeit lange um ihre Anerkennung als NS-Verfolgte kämpfen, wurden darüber hinaus weiterhin kriminalisiert und sogenannte „Zigeuerlisten“ seitens der Polizei vom NS-Regime nahtlos übernommen und bis weit in die 1970er Jahre fortgeführt.

Familie Höllenreiner 1942; Viele Angehörige der großen Familie Höllenreiner wurden am 13. März 1943 nach Auschwitz deportiert, nur wenige überlebten.
Auf dem Schoß der kürzlich verstorbene Zeitzeuge Peter Höllenreiner als Nesthäkchen
© Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma

Exemplarisch das Schicksal von Zeitzeuge Peter Höllenreiner, das Nesthäkchen auf obigem Foto, 17.3.1939 – 28.7.2020, festgehalten in einem Nachruf von Alexander Diepold >

„Ein großer und aufrichtiger Mann ist von uns gegangen!“

Das Ergebnis solcherart von Marginalisierung ist, dass sich die Sinti & Roma, Jenischen und Reisenden, von nachvollziehbarem Misstrauen geprägt, vielfach auch selbst von unserer Mehrheitsgesellschaft abschotteten und noch immer abschotten beziehungsweise, aus Furcht vor gesellschaftlicher und beruflicher Benachteiligung, oft ihre Herkunft verschleiern. Das sollte in einer erklärt divers ausgerichteten Gesellschaft längst nicht mehr nötig sein! Schon gar nicht bei MitbürgerInnen einer Minderheit, die schon seit Jahrhunderten unter uns lebt.

Jenische am Lauerzersee (Schweiz), 1928

Doch leider hält sich das Wissen über die Volksgruppen der Sinti, Roma, Jenischen und Reisenden in unserer Mehrheitsgesellschaft noch immer sehr in Grenzen, über ein Goutieren von Gipsy Music und unqualifizierten Diskussionen über „Zigeunerschnitzel“ hinaus! Wenig ist bekannt über ihre Kultur und Geschichte, über ihr jahrhundertelanges Martyrium als ausgegrenzte Minderheit und Opfer des Holocaust. Omnipräsent in Öffentlichkeit und Medien hingegen ist noch immer der Antiziganismus in Form zementierter Vorurteile, ohne das sich unsere Mehrheitsgesellschaft dessen überhaupt bewusst wäre.

2.10.16: Edith Grube, vorne, hat mich mit den Sinti-Schwestern Silvana und Ramona bekannt gemacht, sowie mit (ganz rechts) der Roma-Soziologin und Filmemacherin Iovanca Gaspar, ehem. Madhouse-Mitarbeiterin

Anfang Oktober 2016 nahm mich Edith Grube mit zu „Madhouse“, dem Münchner Beratungs- und Begegnungszentrum für Sinti und Roma. Seitdem habe ich viel dazu gelernt und auch Freundschaften geschlossen, nicht zuletzt mit dem Sinto Alexander Diepold, dem Gründer und Leiter der Einrichtung, der auch zahlreiche Kulturprojekte seiner Leute in München und darüber hinaus vorangetrieben hat. Entsprechend ist er seit 2020 auch Geschäftsführer der ambitionierten Hildegard Lagrenne Stiftung „für Bildung, Inklusion und Teilhabe von Sinti und Roma in Deutschland“.

Aus diesen Erfahrungen heraus sind bereits eine ganze Reihe von Berichten entstanden und weitere werden folgen, in der Hoffnung, diese besondere und kulturell bereichernde Minderheit in unserer Mehrheitsgesellschaft ein Stück weit bekannter zu machen.


Zur Einführung siehe auch die ZDF-Seite  >
Sinti und Roma. Eine deutsche Geschichte


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Veröffentlicht von Gaby dos Santos

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