Antiziganistisch verrannt: Markus Lanz! Emotionale Wortmeldungen aus der Community sowie Einladung zum Gespräch an Markus Lanz seitens der Bundesvereinigung der Sinti & Roma

„(…) Der soziale Friede in der Stadt stehe auf dem Spiel. (…)“

Karin Welge, OB von Gelsenkirchen, in Folge zitiert von  Markus Lanz in seiner Talkshow

„Die AfD habe in Gelsenkirchen insbesondere deshalb so punkten können, weil insbesondere Sinti und Roma in einem Problemviertel der Stadt soziale Unruhen verursachten...“, lautete, sinngemäß zusammengefasst, die Erklärung von Oberbürgermeisterin Karin Welge zum Wahldebakel.

„Nun werde sie, auf Grund ihrer Äußerungen, des Antiziganismus bezichtigt…“ 

Doch dieser Vorwurf ist nicht von der Hand zu weisen, denn pauschalierte Schuldzuweisungen, allein aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe, bezeichnet man per Definition als „Rassismus„. Punkt. Und, auf Sinti und Roma bezogen, als „Antiziganismus„. 

In seiner ersten Sendung nach der Bundestagswahl griff Markus Lanz Welges Vorwürfe auf, in der Absicht, Missstände offen beim Namen zu nennen.

Doch analysiert man die seitens Lanz vorgebrachten Fakten, entpuppen sie sich schnell als fehlerhaft, auf Grund einer offensichtlich mangelhaft durchgeführten Recherche im Vorfeld und einer undifferenzierten Betrachtungsweise.

Da verwundert die emotional aufgeladene Rezeption seitens der betroffenen Community nicht! Diese erneute Verunglimpfung stellt für Sinti und Roma ein aufwühlendes Déjà-vu in ihrer – an sich schon leidvollen – Chronik dar, die seit jeher von Diskriminierung und gesellschaftlicher Ausgrenzung geprägt ist, von Übergriffen und Verfolgungen, mit dem Holocaust als tragischem Höhepunkt.

Wir, die Mehrheitsgesellschaft, mögen vielleicht, um nochmals Markus Lanz zu zitieren, größere Probleme haben, als das Für und Wider der Bezeichnung „Zigeuner“ vor dem Schnitzel. Die Betroffenen selbst jedoch assoziieren das „Z“-Wort, ganz gleich innerhalb welcher Wortschöpfung oder in welchem Zusammenhang, schlichtweg mit Deportation, Tod und einer bis heute fortgesetzten, gesellschaftlichen Verächtlichkeit gegenüber ihrer Minderheit – alles Traumata, die man als Betroffene nicht relativiert sehen mag!

Zudem gefährdet nicht die Zugehörigkeit zu welcher Minderheit auch immer den sozialen Frieden – ein „Verbrecher-Gen“ existiert erwiesenermaßen nicht! Den Zündstoff liefern vielmehr die prekären Lebensumstände unter denen Teile der Bevölkerung leben müssen. Gegen die hilft nur eine kluge Sozialpolitik, die auf Tatsachen-Analyse fußt, statt auf Vorurteilen und Halbwissen, wie im Fall von Markus Lanz, bei dessen Ausführungen es sich keinesfalls um couragiert vorgebrachten“Klartext“ handelte, wie von der WAZ gelobt!

“ (…) Der ZDF-Talker hingegen nennt im Gespräch mit CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und Juso-Chef Philipp Türmer die offensichtlichen Probleme deutlich beim Namen und zählt dabei auf, was die WAZ Gelsenkirchen immer wieder berichtet. (…)“

Markus Lanz über Gelsenkirchen: Probleme mit Sinti und Roma, von Sinan Sat, WAZ, 26.02.2025, 19:37 Uhr 

Vielmehr lieferte der Talkmaster, wenn auch sicher unbeabsichtigt, mit seinen Äußerungen einen weiteren Anstoß zu Hass und Hetze in unserem Land! Leider! Erst recht angesichts der Reichweite seiner Sendung, die nicht zuletzt deshalb zu inhaltlicher Akribie sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Umsetzung verpflichten sollte!


Stimmen von Sinti und Roma zur Sendung:

Wortmeldung von Dzoni Sichelschmidt:


Abschrift von Dzoni Sichelschmidts Beitrag als PDF:

Roma-Aktivist Dzoni Sichelschmidt, Sozialarbeiter und Bildungsberater der Schulbehörde Hamburg für Roma und Sinti-Schüler/innen, Kunst- und Kulturschaffender sowie Träger des Hamburger Bürger-Preises 2013, begegnet den medialen Unterstellungen mit einer hochemotionalen Replik in nachstehendem Video-Clip.


PDF einer Stellungnahme seitens des BVSR – Bundesvereinigung der Sinti und Roma e.V.- mit einer Einladung an Markus Lanz,


Kommentar von Alexander Diepold

(…) „Gerade weil Herr Lanz als seriöser Moderator gilt, der sachlich und reflektiert auch polarisierende Themen öffentlich diskutiert und daher eine große Zuschauerzahl erreicht, enttäuscht dieser Fernsehbeitrag besonders:

Obgleich inzwischen über 130 Sinti- und Roma Organisationen in Deutschland bestehen, wurde davon nicht eine einzige im Vorfeld der Sendung aufgesucht – ein Versäumnis, das typischerweise nur unserer Community widerfährt. Ich bin überzeugt, dass Herr Lanz  bei jeder anderen Opfergruppe mit Sorgfalt und Sensibilität die Diskussion vorbereitet hätte. Hier jedoch vernachlässigt er vollkommen die Prinzipien neutraler und wertschätzender Gesprächsführung auf Augenhöhe.

Gerne würde ich Herrn Lanz bei Madhouse in München eine Möglichkeit bieten, die Arbeit von und mit Sinti und Roma kennenzulernen und mit Angehörigen unserer Minderheiten zu sprechen, die regelmäßig mit Vorurteilen. Diskriminierungen sowie – nach wie vor – Benachteiligungen in allen wichtigen Lebensbereichen zu kämpfen haben.

Sollte Herr Lanz Zeit und Beherztheit für einen Besuch bei uns aufbringen, um sich mit uns Sinti und Roma konstruktiv auseinanderzusetzen, wird er auch erkennen, wie verletzend und beschämend seine oberflächliche und vorurteil fördernde Diskussionsrunde in unserer Community erlebt wurde; zudem könnte solcherart Austausch künftig einem Hineintappen in jenes rassistische Schema vorbeugen, das soziale Probleme „ethnisiert“.

Alexander Diepold vertritt in geschäftsführender Funktion sowohl das Beratungs- und Kulturzentrum Madhouse für Sinti und Roma, als auch die Hildegard Lagrenne Stiftung für Bildung, Inklusion und Teilhabe von Sinti und Roma in Deutschland


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