Ein Gruppenbild „für die Ewigkeit, aber auch nicht länger“, plädiert für den Erhalt der pluralistischen Münchner Stadtgesellschaft! Mit Christian Ude als Galionsfigur gegen Rechtsextremismus, im SalonCuisine von Gaby dos Santos

„Mein herrlich buntes München niemals missen müssen!“ Das wünsche ich mir seit jeher und nun erst recht, nach dem Fotoshooting vom 15. April 2025. Stattgefunden hat es im familiären Ambiente meines SalonCuisine, mit einem Dutzend MitbürgerInnen, die erfolgreich genau diese multikulturelle Farbigkeit abbilden, respektive sich für ihren Erhalt engagieren.

Mich zu dieser Rund angeregt und, dank ihres weitläufigen Netzwerks, die Voraussetzungen dafür überhaupt erst geschaffen, hat die Münchner Aktivistin Susanne von Lieven-Jell, Mitbegründerin des Vereins Nicht mit uns! e.V., der sich gegen Rechtsextremismus wendet. Susanne und ich beschlossen, ein markantes Zeichen zu setzen, indem wir symbolisch auf genau dieses weltoffene München Bezug nahmen, das es – gerade jetzt – unbedingt zu bewahren gilt!

Dazu folgten Susanne von Lieven-Jell und ich der historisch gewachsenen, städtischen Tradition des Leben und Leben Lassens, auf den Spuren der sagenumwobenen Münchner Bohème um 1900.

Münchner Bohème um 1900 im Simplicissimus (Alter Simpl). Vorne einmontiert: Fanny zu Reventlow, Bild-Collage aus dem Historical von Gaby dos Santos

Um 1900 galt München als Bastion unkonventioneller Lebensentwürfe und schöpferischer Schmelztiegel, wodurch es FreidenkerInnen und Kreative aus aller Welt anzog.

Ein überdimensionales Graffito, das meinen SalonCuisine dominiert, knüpft an diese große Epoche Münchens an, indem es ein Zitat der damaligen Bohème-Ikone Franziska zu Reventlow, Schwabing sei ein Zustand, in moderne Bildsprache überträgt. Entsprechend bot es sich auch als Hintergrund zu unserem fotografischen Vorhaben an (s. Titelbild).

Die Gruppenaufnahme, gepaart mit dem augenzwinkernden Kommentar, das Foto sei „für die Ewigkeit bestimmt, aber auch nicht für länger…“ stammen von Fotograf Sigi Müller (s. Foto rechts), der inzwischen selbst in München Weltruhm erlangte 😉 – nicht zuletzt dank seiner wöchentlichen AZ-Kolumne als „Stadtspaziergänger“ …

Bei der Lichtprobe am Vortag: Gaby dos Santos, Susanne von Lieven-Jell (Nicht mit uns! e.V.) , dahinter, mit Selbstauslöser, Fotograf Sigi Müller

In der Tat kann sich die Runde, die Sigi Müller am 15. April 2025 im SalonCuisine abgelichtet hat, sehen lassen, als stimmiger Querschnitt dessen, was München interkulturell, interreligiös und divers zu bieten hat – noch dazu mit Christian Ude als UR-Münchner Galionsfigur! Als langjähriger Oberbürgermeister (1993 – 2014) steht er für unsere Stadt, wie kaum jemand sonst und engagiert sich, wie Susanne von Lieven-Jell, im Verein Nicht mit uns! e.V., gegen Rechtsextremismus. Ein weiteres Gründungsmitglied, das wir für das Fotoshooting eingeplant hatten, ist der Münchner Kommunalpolitiker Marian Offman (SPD), in seiner Funktion als Beauftragter für interreligiöse Angelegenheiten der LH München, und weil er der Israelitischen Kultusgemeinde für München und Oberbayern angehört. Damit hätte sich das Spektrum der maßgeblichen Münchner Communities auf dem Gruppenbild vervollständigt. Leider musste er jedoch in letzter Minute absagen, so dass es zeitlich nicht mehr möglich war, an seiner Stelle jemand anderen unserer jüdischen MitbürgerInnen einzuladen.

Foto links: Sigi Müller funktioniert bereits am Vortag meine Wohnküche zum Fotostudio um
Foto rechts: Gruppenbild mit Dame, bei der Lichtprobe mit Gästen am 15.04.2025: Von vorne, links, im Uhrzeigersinn: Jetro Mettbach und Lorenzo Diepold (RomnoPowerClub München), Erkan Inan (Münchner Forum für Islam/AusARTen-Festival), Alexander Diepold (Madhouse KULTUR der Sinti & Roma), Susanne von Lieven-Jell (Nicht mit uns! e.V.)

Bemerkenswert fand ich, dass sich mit diesem Fotoshooting nicht nur optisch, sondern auch historisch ein Kreis schloss, als Christian Ude, angesichts des Graffito verriet, dass er ausgerechnet! durch den Sohn der zitierten Gräfin, Rolf zu Reventlow, zur SPD gekommen sei!!

Die Partei habe Rolf zu Reventlow, in seiner Eigenschaft als „Sohn der Gräfin“, so einiges an Zugeständnissen eingeräumt. Das jedoch habe niemanden davon abgehalten, selbst den in die Jahre gekommenen Sprössling zeitlebens und zu dessen großen Verdruss mit „Bubi“ anzureden…

Fasziniert lauschte ich Christian Udes Ausführungen und hätte ihn am liebsten auf dem lila Sofa, als Münchner Version einer wortgewaltigen Scheherazade, tausendundeine Nacht lang festgetuckert:

Dank dieses – bekanntermaßen – begnadeten Erzählers erschien mir plötzlich ein schillerndes Kapitel der Münchner Stadtgeschichte, in meinen eigenen vier Wänden, zum Greifen nahe…

Gaby dos Santos am 15.4.2025 in ihrem SalonCuisine, vor dem markanten Graffitto von Toni di Mauro, das 2001, während einer Live-Performance beim jourfixe im Nachtcafé entstanden ist; Foto: Sigi Müller

Als tonangebend für das Flair unserer Stadt gilt insbesondere Schwabing. Für diesen Stadtteil, der seit jeher das Lebensgefühl von Generationen, im Sinne von Offenheit und Toleranz verkörpert, standen an diesem Abend, neben Christian Ude und seiner Tochter Susanne von Lieven-Jell, auch Christine Willschrei (s. übernächstes Foto), die viele Jahre mit ihrer Schauspielschule die hiesige TV- und Theaterszene mitprägte sowie Angelica Fell. Letztere gründete und leitet seit 2015 die inklusive Freie Bühne Münchenan der DarstellerInnen mit und ohne Behinderung spielen und auch ausgebildet werden.

Vor Christian Ude stehen li. Tochter, Susanne von Lieven-Jell (Nicht mit uns! e.V.) und Angelica Fell  Freie Bühne München)

Damit steht die Theatermacherin für jenen Perspektivwechsel durch Kunst, den auch Erkan Inan (MFI – Münchner Forum für Islam) seit vielen Jahren mit seinem AusARTen–Festival propagiert.


Erkan Inan (Bildausschnitt)

Zukunftspreis – Kultur gestalten – für Kulturpolitik 2024
Preisträger in der Kategorie „Einzelperson“: Erkan Inan

(…) Mit dem von ihm ins Leben gerufenen AusARTen–Festival“ schuf er eine Plattform, die durch Kunst interkulturelle Brücken baut. Mit seinem Engagement für die jüdisch-muslimische Verständigung und seinem ehrenamtlichen kulturpolitischen Engagement in der Stadt München setzt er ein klares Zeichen für Toleranz und Verständnis zwischen unterschiedlichen religiösen Gemeinschaften.

22. November 2024 / Kulturnachrichten / Kulturpolitische Gesellschaft (KuPoGe)

Am Beispiel von Erkans Lebenslinien zeigt sich auf beeindruckende Weise, dass der von der AFD in den Raum gestellte Vorschlag einer „Remigration“ eine ganz schlechte Idee, da extrem kontraproduktiv für unser Land wäre, das dringend der gesellschaftlichen Bereicherung durch solcherart MitbürgerInnen bedarf!

Der Erinnerungskultur eng verbunden ist Frau Dr. Hildegard Kronawitter, Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung.

Dies gilt auch für die Autorin und Wissenschaftsjournalistin Ariane Rüdiger, Vorstandsmitglied des Forums Queeres Archiv München, in dem zur queeren Geschichte unserer Stadt und darüber hinaus geforscht wird. Ariane selbst hat in diesem Rahmen u.a. zwei Monografien zur lesbischen Stadtgeschichte verfasst und im Kontext das Projekt „Wegmarken“ entwickelt.

V.li: Christine Willschrei (Schauspiel), Ariane Rüdiger (Forum Queeres Archiv München), Hildegard Kronawitter (Weiße Rose Stiftung)

Leider fehlte diesmal Arianes Vorstandskollege, Albert Knoll, Vorsitzender des Forums und, bis 2024, langjähriger Archivar der KZ-Gedenkstätte Dachau.

Die Erinnerung an den Holocaust der Sinti und Roma wach hält, mit einem kritischen Blick auf die noch immer nicht hinreichend paritätisch eingestellte Gegenwart, der Sinto Aktivist und Pädagoge Alexander Diepold, Gründer und Leiter von  Madhouse München, das Familienberatungs- und Kulturzentrum der Sinti und Roma.

Ihn begleiteten sein Sohn Lorenzo Diepold (Foto rechts) und Johann „Jetro“ Mettbach (u.a. Koordinator der Münchner Sektion der Jugendorganisation RomnoPowerClubs sowie Schul-Mediator). Durch ihre Tätigkeiten gewährleisten die beiden jungen Männer die Kontinuität von Sozial-, Kultur- und Bürgerrechtsarbeit in die nächste Generation von Sinti und Roma hinein.

Diese Kontinuität im Auge, hatte ich Lorenzo sowie Jetro Mettbach spontan eingeladen, nachdem ich mit den Beiden bereits auf der Reise zum Internationalen Roma Tag in Mannheim zahlreiche angeregte Gespräche geführt hatte.

An Jetro fasziniert mich stets aufs Neue sein schier unerschöpflicher Wissensschatz zur Geschichte und Kultur von Sinti und Roma. Aktuell arbeitet er, inspiriert durch die Lebens- und Leidensgeschichte seiner Großmutter, an einem biografischen Roman.

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: Alexander Diepolds jüngster Sohn Lorenzo beim intensiven Brainstorming mit Susanne von Lieven-Jell
Johann „Jetro“ Mettbach ist nicht nur eine wandelnde Enzyklopädie zu den Volksgruppen der Sinti und Roma, von denen er gleichermaßen abstammt, sondern auch ein Sonnenschein…

Christian Ude und seine Frau Edith von Welser Ude setzen sich seit Jahrzehnten intensiv für die Belange der Sinti und Roma ein. Entsprechend rege gestaltete sich der Austausch zwischen ihm und dem Sinto-Aktivisten Alexander Diepold. Die beiden Männer sind einander schon länger herzlichen verbunden und nutzten den SalonCuisine gerne als Newsbörse.

Komplettiert wurde die Gruppe durch Beppo Brem, Gründungsvorsitzender und jetzt Ehrenmitglied des queeren Sportvereins Team München, außerdem langjähriger Vorstand des Bayerischen Landessportverbands sowie für DIE GRÜNEN im Münchner Stadtrat. Da es für ihn am nächsten Tag in den Osterurlaub ging, musste er sich früh verabschieden und ist daher nur auf dem Gruppenfoto zu sehen.

Beppo Brem, auf d, Gruppenbild 2.v.li., hinten (Ausschn.)
Alexander Diepold (li) und Sigi Müller an den Gitarren; Bildmitte: Theaterlady Christine Willschrei (li) und Angelica Fell (Freie Bühne München)

Auf die Foto-Kampagne folgte die Kür, in Form klangvoller Lagerfeuerromantik, einmal mehr im SalonCuisine heraufbeschworen mit Gitarre und Gesang von Sigi Müller, neben eigenen Songs gespickt mit Weißt Du noch?“-Evergreens, von den Beatles bis Uriah Heep. Sigi Müller „weiß“ noch sehr gut…:

… haufenweise knutschende Pärchen – und ein einsamer Depp der sich an der Gitarre abarbeitete. Der war ich… 😉

Über seine Erfahrungen mit knutschenden Pärchen äußerte sich Alexander Diepold, der Zweite im musizierenden Bunde nicht, ließ dafür umso temperamentvoller seine Gitarre im Stil spanischer Gitanos sprechen…

Vater und Sohn Diepold auf der Suche nach einem Songtext im Internet



Mehr als Worte zu sagen vermögen, drückt auch unser Gruppenbild aus, die Quintessenz eines besonderen Abends, an dem sich ganz unterschiedliche Münchnerinnen und Münchner, im Alter zwischen Anfang 20 und Mitte 80, mit vielfältigen Backgrounds, interkonfessionell, hetero-, homo- bisexuell, divers und sonst wie unterwegs – sich unter einem Küchen-Graffito eingefunden haben, vereint in ihrem Einsatz um die Gesellschaft.

Dazu fällt mir eine Äußerung der TV-Journalistin Özlem Sarikaya (PUZZLE-Magazin/BR) ein:

Es trifft meiner Meinung nach absolut zu, dass es in unserer jüngeren Geschichte wohl noch nie so sehr auf jeden Einzelnen von uns angekommen ist (…)“


…dann wird in der Summe „ein Schuh“ daraus!


Das Titelfoto stammt von Fotograf Sigi Müller > www.augenblick-fotografie.com; alle Rechte vorbehalten

Nachträglich einmontiert habe ich
– ein Bild der Gräfin Franziska zu Reventlow
das GdS-Logo, die Theatermaske mit Perlenträne

Das Graffito ist von Toni di Mauro
und entstand 2000, als Live-Act, bei einem jourfixe im Nachtcafé

2001 zog es mit mir und meiner Tochter in die Mansarde in Haidhausen ein. Graffiti blieb seither, Tochter zog weiter…

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Veröffentlicht von Gaby dos Santos

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