Kicken und Kofferpacken … Hinter diesen beiden alltäglich anmutenden Freizeit-Aktivitäten verbirgt sich im Fall der RomnoPowerClubs ein akribisch durchdachtes Konzept, zugeschnitten auf die Bedürfnisse der jungen Sinti- und Roma in Deutschland: Begegnungen mit VertreterInnen der Mehrheitsgesellschaft im Rahmen sportlicher Ereignisse, Bildungsangebote, sowie Zusammenhalt untereinander und Empowerment in geschütztem Rahmen. Dabei umfasst der Aktivitätenkatalog durchaus auch extrem kontrastierende Begriffe, wie „Abseits und Auschwitz“, mit Studienreisen zur Aufarbeitung des Holocaust an Familienangehörigen. Im Fall der neuen Münchner Filiale der deutschlandweit verbreiteten RomnoPowerClubs hieß es daher letzte Woche nunmehr:
„Ball frei!“
Am vergangenen Samstag hat erstmals eine Fußball-Elf aus dem Umfeld von Madhouse München,https://madhousekultur.wordpress.com/ dem Familienberatungs- und Kulturzentrum für Sinti und Roma, an einem der Fußball-Turniere teilgenommen, die das Münchner Sicherheitsforum regelmäßig veranstaltet. Die Madhouse-Mannschaft organisiert hatte Robert „Feigeli“ Weiß, der dem Leitungsteam des neuen Münchner RomnoPowerClubs angehört.
Die „Madhouse-Elf“, organisiert von Robert „Feigeli“ Weiß, rechts unten Robert gehört zudem der Leitung des Münchner RomnoPowerClubs (derzeit in Gründung) an
Eingeladen hatte wieder einmal das Münchner Sicherheitsforum in Zusammenarbeit mit der Münchner Polizei sowie dem Verein Münchner Blaulicht e.V. und eine bemerkenswert bunte Schar an Fußball-Teams zusammengetrommelt: Diese setzten sich auf der einen Seite aus namhaften Münchner (Sicherheits)Institutionen zusammen, wie
Staatsanwaltschaft
Polizei
Stadtrat
Erzdiözese Müchen Freising
und auf der anderen Seite aus Kicker-Teams verschiedener Münchner Communities und sozialen Einrichtungen, u.a.
Madhouse München für Sinti und Roma
der jüdische Sportverein TSV Maccabi München, der schon lange das Prinzip „Annäherung durch Sport“ verkörpert
das Bellevue di Monaco, „ein Wohn- und Kulturzentrum für Geflüchtete und interessierte Münchnerinnen und Münchner„
Die Siegertrophäen
Die Zielsetzung der Veranstalter – aber ebenso der teilnehmenden Gruppen – war
… dass verschiedene Gruppen unserer Stadt mit eigenen Teams in einem Fußballturnier nicht nur miteinander ‚kicken‘, sondern sich vor allem besser kennen lernen!
Entsprechend lautete die – bewährte – Losung des Turniers erneut:
Auch wenn es nicht ganz bis auf das Siegertreppchen reichte, so durfte sich die Madhouse-Elf über einen sehr verdienten zweiten Platz freuen; die starken Jungs der Staatsanwaltschaft (auf nachstehendem Foto in gelben Trikots) hatten sich als schlichtweg unschlagbar erwiesen 😉
Gelb für das Team der Münchner Staatsanwaltschaft, blau für unsere Madhouse-Jungs
Aber wie war es überhaupt dazu gekommen, dass auch die jungen Münchner Sinti und Roma, die sich bis dahin irgendwie unter dem Radar der Turnier-Macher befunden hatten, ab sofort im Spiel sind?
Madhouse-Geschäftsführer Alexander Diepold erläutert:
„Ausschlaggebend war eine Studie zu Hasskriminalität, die 2022 veröffentlicht wurde. Diese enthüllte, dass Sinti und Roma, von allen untersuchten Opfergruppen, die am weitaus stärksten von Rassismus betroffene war. Dennoch fand sich kein einziger seitens Sinti oder Roma gestellter Strafantrag in den Akten!
Ansprache von Polizeipräsident Thomas Hampel bei der Uraufführung von „Nächster Halt Auschwitz!“ am 23.3.2023
Ein Ergebnis, das den Münchner Polizeipräsidenten Thomas Hampel zutiefst schockierte, denn die nüchternen Zahlen der Studie belegten das nicht vorhandene Vertrauensverhältnis zwischen unserer Sinti & Roma Community und der Justiz.
Thomas Hampel jedoch ist daran gelegen, dass die Polizei nicht nur als Exekutive im Rahmen von Ermittlungsarbeit wahrgenommen wird, sondern auch gemäß dem Motto:
Die Polizei, Dein Freund und Helfer!
– und als solches das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Justiz erhält.
Aus diesem Grund war im letzten Jahr im Rahmen der Münchner Antirassismus-Wochen zum ersten Mal die Polizei mit einem Aktionstag präsent, zu dem verschiedene Organisationen, darunter auch Madhouse, als Kooperationspartner eingeladen wurden.
Dieser Aktionstag wurde gut angenommen und führte dazu, dass sich die Polizei, neben Madhouse und der Fachstelle für Demokratie als Mitveranstalter an der Uraufführung des > Historicals > „Nächster Halt Auschwitz!“ beteiligte“
Am 18.5.23 folgte dann die Teilnahme der Sinti und Roma von Madhouse am innerstädtischen Fußballturnier.
Zum ersten Mal mit im Spiel, unter dem Motto des Münchner Sicherheitsforums„11:0 Für Toleranz – Gemeinsam Füreinander“: Eine Mannschaft aus dem Umfeld von Madhouse München, Alexander Diepold (Foto)
Doch nicht nur die Polizei ist um vertrauensbildende Maßnahmen bemüht, auch die Landeshauptstadt München hat, u.a. angestoßen durch einen Antrag der Fachstelle für Demokratie, die Ausschüttung von Mitteln für eine Reihe von Maßnahmen bewilligt, zur Bekämpfung des Antiziganismus und im Sinne einer optimierten Integration von Sinti und Roma, deren Weiterbildung sowie dem Empowerment insbesondere der jungen Generation.
Das Münchner Kindl, mit der Broschüre des RomnoPowerClubs auf dem Giesinger Fußballfeld, rechts der Trolley, der bald eine Studienreise nach Auschwitz antreten wird; Bildcollage: Gaby dos Santos
Doch um ein derart umfangreiches Maßnahmenpaket mit nachhaltiger Wirkung umsetzen zu können, bedarf es auch der Eigeninitiative der Sinti und Roma selbst. Entsprechend erhalten die hiesigen, untereinander in Kooperation stehenden Selbstorganisationen RomAnity und Madhouse künftig mehr Fördermittel. Auch seitens Madhouse wurde nicht lange gefackelt und derAufbau eines Münchner RomnoPowerClubsbereits an drei junge Sinti der hiesigen Community übertragen, die alle über eine pädagogische Ausbildung verfügen.
Unter Ägide des neuen RomnoPowerClubs in München sind aber auch Aktivitäten mit sehr ernstem Hintergrund in Planung, die unter anderem der Holocaust-Vergangenheit der Sinti und Roma respektive deren Aufarbeitung Rechnung tragen, nach Vorbild der fünftägigen Studienreise nach Krakau und Auschwitz, die Madhouse München im Zeitraum 30.5. bis 3.6.2023 durchführt, von wo aus ich jeweils vor Ort berichten werde …
Zwei von drei verantwortlichen Pädagogen des neuen Münchner RomnoPowerClub: Links Johann Mettbach, rechts Robert Feigeli Weiß
Das Prinzip der RomnoPowerClubs in Übersicht
RomnoPowerClubs(RPC)verstehen sich aber nicht als reine Freizeittreffs, sondern, darüber hinaus, auch als Orte, an denen junge Sinti und Roma von pädagogisch geschulten Kräften Unterstützung erhalten, um sich besser im Alltag durchzusetzen und sich erfolgreich gegen institutionelle Diskriminierung sowie Antiziganismus zu wehren. In ihrer Eigenschaft als schützende Räume erleichtern die RPC’s auch den Abschluss der Schul- und Ausbildungswege junger Sinti und Roma, denn hier wird der ist Bildungsaufbruch als gemeinsame Sache erlebt.
Einige Grundsätze:
Der Name ist Programm: Romno Power
Power = Kraft, Selbstbewusstsein und Durchsetzungsfähigkeit
Gegenentwurf zum Fremd-, aber auch zum Selbstbild von “Loosern”
Rückhalt für jene jungen Leute, die sagen: ich will!
Der RPC ist ein Ort, an dem der Bildungsaufbruch als gemeinsame Sache erlebt wird.
Die Hildegard-Lagrenne-Stiftung hat zu den RomnoPowerClubs eine Broschüre herausgebracht, in Zusammenarbeit mit Madhouse München, Alexander Diepolds Familienberatungs- und Kulturzentrum für Sinti und Roma. Darin werden die Aufgaben der RPC’s überschrieben mit:
„Rückhalt auf dem Weg zum Erwachsenenleben“
Die RPC-Broschüre ist von 2020, und liegt mittlerweile ,neben Deutsch und Englisch, auch in zwei Romanés-Sprachen vor.
Als Kind habe sie die Lebensweise der Sinti und Roma derart fasziniert, dass sie sich mitunter wünschte, von ihnen entführt zu werden, „denn ‚Zigeuner‘ “ -…
Seit nunmehr 10 Jahren bereichert der Gitarrist und Veranstalter Daniel Fischer die Münchner Musikszene mit seinen Gypsy Jazz Tagen, so auch wieder in diesem Jahr,…
‼️Ein unverzichtbares Ausrufezeichen, mitten hinein in den glamourösen Rahmen der Gypsy Jazz Tage im Deutschen Theater, setzte Münchens ehemaliger OB Christian Ude in seiner Eröffnungsrede,…
Die Mittagssonne schien fröhlich auf die Februarkälte, ohne wirklich zu wärmen. Dennoch strömten immer mehr MünchnerInnen mit Kind und Kegel auf die Theresienwiese, ausgestattet mit…